Steffen Baumgarts Freude an der Offensive ist mittlerweile geradezu legendär in der Fußball-Bundesliga. Der Trainer des 1. FC Köln lässt seine Mannschaften konsequent angreifen, und dieser Mut kennzeichnet auch seine öffentlichen Verlautbarungen. Nur wenn es um die Saisonziele seiner Kölner ging, ist Baumgart lange eher vorsichtig geblieben, um nicht die alte Hybris dieser Stadt zu kitzeln.
In der Begeisterung des bemerkenswerten 1:0-Sieges im rheinischen Derby bei Bayer Leverkusen griff er nun auch in diesem Feld rhetorisch an. „Wir haben März, es ist noch nicht mal Frühling, und wir haben mit Köln den Klassenerhalt geschafft“, sagte er. In Wahrheit kann sein Klub theoretisch schon noch absteigen, aber Baumgart ist nicht nur ein Freund offener Worte, sondern auch ein Realist. Und als solcher weiß er, dass seine Mannschaft so stark ist, dass sie sich eher für die Champions League qualifizieren wird, als noch ins untere Drittel abzurutschen.
Wirtz schwer verletzt
Auf eindrucksvolle Art und Weise wurde diese These während der 90 Minuten in Leverkusen bestätigt. Nicht weil die Kölner besser waren, „es war eng, Leverkusen hatte seine Chancen“, sagte Baumgart, vielleicht sogar die besseren. Aber es war den Kölnern gelungen, dem Tabellendritten den eigenen Stil aufzuzwingen und im richtigen Moment durch Kingsley Schindler in Führung zu gehen (67. Minute). „Wir haben heute bewusst unsere Spielweise angepasst, um das Anlaufen der Kölner zu umgehen“, sagte der Leverkusener Trainer Gerardo Seoane, „es war die Idee, nicht immer in den Druck reinzuspielen, das sah dann vielleicht nicht so flüssig oder schön aus, wie wir sonst spielen.“
Heraus kam eine hochintensive Fußballschlacht mit vielen harten Zweikämpfen. Neben dem Leverkusener Florian Wirtz, dem das vordere Kreuzband im linken Knie riss, mussten auch Jeremie Frimpong und Odilon Kossounou verletzt ausgewechselt werden. „Man hat gesehen, dass wir über die Aggressivität und Intensität kommen wollten“, sagte der Kölner Salih Özcan.
Die Partie war nicht ungewöhnlich unfair oder gar brutal, aber der Champions-League-Anwärter aus Leverkusen begab sich vor lauter Respekt auf ein Terrain, auf dem die eigene fußballerische Überlegenheit nicht mehr so deutlich zur Geltung kam. Aus Kölner Sicht ist eine deutlichere Bestätigung für die eigene Stärke kaum möglich.
Entsprechend wild feierten die FC-Profis nach dem Abpfiff vor dem Gästeblock, und als sie am Abend am Geißbockheim ankamen, säumten Hunderte Fans die Straße und bejubelten die Derbysieger, die nun von mehr träumen können. Die Mannschaft wolle jetzt „oben angreifen“, sagte Özcan. Aber selbst wenn das misslingt, bleibt diese Saison ein sensationeller Erfolg.
Mitte März können die Kölner anfangen, das kommende Spieljahr zu planen, mit einer bestens funktionierenden Mannschaft und einem Trainer, der in bevorstehenden Transfergesprächen zu einem wichtigen Argument für umworbene Spieler werden könnte. Am 1. April tritt Christian Keller, der Jahn Regensburg in den Profifußball führte, seinen Job als neuer Sportgeschäftsführer an, und Philipp Türoff übernimmt das Ressort Finanzen von Alexander Wehrle, der sich vorige Woche nach Stuttgart verabschiedet hat. So frei von Sorgen und Lasten war dieser Klub schon sehr lange nicht mehr.