Am Tag, nachdem der Traum von der dritten WM-Teilnahme in Folge geplatzt war, begann die eifrige Suche nach den Schuldigen. Für James Rodriguez waren die schnell gefunden: „Wir müssen planen, unsere Kräfte bündeln und auf administrativer und sportlicher Ebene hart arbeiten, um der Welt erneut die Kraft und das Talent unseres Landes zu zeigen“, schrieb der ehemalige Star der „Cafeteros“ in seinen sozialen Netzwerken.
Versehen war der Kommentar mit einem ebenso pathetischen Bild, das den Spieler zeigt, wie er in sich gekehrt das Wappen der kolumbianischen Nationalmannschaft berührt. Genau dort, wo das Herz des Fußballers schlägt. Eine Selbstinszenierung, die zum öffentlichen Auftritt des älteren James Rodriguez passt. Die führende Tageszeitung „El Tiempo“ hatte derweil einen anderen Schuldigen ausgemacht: Die Spieler.
Kolumbien hat die Qualifikation für die Fußball-Weltmeisterschaft 2022 in Qatar verpasst. Trotz eines 1:0-Erfolgs beim abgeschlagenen Tabellenletzten Venezuela am letzten Spieltag. Den Treffer erzielte James per Foulelfmeter im zweiten Versuch. Kolumbien landete auf Platz sechs in den knallharten südamerikanischen „Eliminatorias“ hinter Peru, das nun in die Relegation muss, und Ecuador auf Rang vier, das sich die direkte Teilnahme sicherte. Zwei Mannschaften, die personell auf den ersten Blick schwächer besetzt sind, die aber geschlossener auftraten.
Kolumbien aber mühte sich von Beginn an durch die Qualifikation, hatte nach dem Abschied der argentinischen Trainerlegende Jose Pekerman, der Kolumbien zu zwei WM-Turnieren führte, erst monatelang gar keinen Trainer, dann präsentierte der Verband spät den Portugiesen Carlos Queiroz. Doch es kam zu Reibereien zwischen dem Coach und seinen in die Jahre gekommenen, aber verwöhnten Stars. Inmitten der Qualifikation wechselte der Verband abermals den Trainer, setzte auf Rückkehrer Reinaldo Rueda. Auch der hatte seine Probleme mit James, bemängelte öffentlich dessen Fitnesszustand, was dieser mit hämischen Kommentaren quittierte. Er habe niemandem mehr etwas zu beweisen.
„James präferiert Geld und ein komfortables Leben“
Dabei war Rueda, immerhin in seiner Karriere auch mal Südamerikas Trainer des Jahres, nicht der einzige prominente Coach, der mit James fremdelte. Everton-Trainer Rafael Benitez verabschiedete James mit einem vernichtenden Urteil über dessen Charakter in Richtung Qatar: „James präferiert Geld und ein komfortables Leben. Das ist ihm wichtiger als der Wettkampf und der Erfolg im Fußball.“
Die Kritik, die immer wieder an James geübt wurde: Der Kolumbianer lebe nicht professionell genug. Die Folgen von zu viel Jetset seien immer wieder Verletzungen gewesen. Im Jahr 2021 schloss sich James dem al-Rayyan SC in Qatar an. Finanziell ein lukrativer Vertrag, sportlich aber der Abschied von der großen Fußballbühne.

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Kolumbiens Aus ist der Abschied einer goldenen Generation, die bei der WM 2014 die Herzen der Fans weltweit und ganz besonders in ihrem Heimatland eroberte. Vorneweg ein hungriger Spieler, der mit sechs bisweilen wunderschönen Toren vor Thomas Müller und Lionel Messi zum Torjäger des Turniers in Brasilien avancierte: James Rodriguez.
Es folgte ein Wechsel zu Real Madrid, James galt als eines der sportlich interessantesten Talente weltweit. Weil er in der Zeit der wachsenden sozialen Medien zum Superstar wurde, explodierte auch die Zahl der Menschen, die ihn bei seinem Leben auf der Überholspur begleiteten. Luxus, Sonne, Lifestyle: James genoss diese Aufmerksamkeit, doch irgendwann gingen die Interessen der Klubs und des Spielers auseinander.
Als James Kovac zurechtwies
Nach durchaus überzeugender Anfangsphase bei Real begann die Talfahrt, erst schleichend, dann immer schneller. Zunächst wechselte James auf Leihbasis zu Bayern München. Dort lieferte er durchaus ansehnliche Leistungen ab, doch München schien ihm zu kalt, zu weit weg vom Glitzer Madrids und Miamis, zu wenig Instagram-Kulisse. Von seiner Zeit in München ist auch der Spruch überliefert, der sein Verhältnis zu Trainern offenbart, die ihn für seine Einstellung kritisierten.
„Wir sind hier nicht in Frankfurt“, soll er damals überheblich Bayern-Trainer Nico Kovac zurechtgewiesen haben. Es ging zurück zu Real Madrid, und wieder gab es Probleme mit dem anspruchsvollen Trainer Zinedine Zidane. Von Madrid ging es zum FC Everton, der dritten Station, bei der er auf seinen Lieblingstrainer Carlo Ancelotti traf.
Den einzigen Fußballlehrer, mit dem sich James wohl wirklich gut verstand. Doch nach dem Trainerwechsel zu Benitez war es vorbei mit dem gegenseitigen Verständnis. Der Champions-League-Sieger mit dem FC Liverpool erwartete von James absolute Professionalität. James aber zog es in die Sonne nach Qatar. Dort wird er nun die WM am Fernseher erleben, falls ihn kein TV-Sender als Experten verpflichtet.
Auf Luis Díaz vom FC Liverpool ruhen die Zukunftshoffnungen des kolumbianischen Fußballs.
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Bild: EPA
Kolumbien teilt damit das Schicksal Chiles, des zweimaligen Südamerikameisters von 2015 und 2016. Die Mannschaft hielt an ihren Altstars Alexis Sanchez, Arturo Vidal oder Gary Medel fest und landete am Ende abgeschlagen auf Platz sieben. In Kolumbien und Chile beginnt nun der Neuaufbau. Die wichtigste Frage in Kolumbien wird eine ähnliche wie in Santiago sein. Wer die Stars wie James oder Juan Cuadrado ersetzen soll. Sie wären beim Turnier 2026 dann schon 34 oder 37 Jahre alt.
Ihren neuen Anführer haben die Cafeteros ohnehin schon gefunden: Luis Diaz, der beim FC Liverpool gut eingeschlagen ist, wird die Mannschaft durch die nächste Qualifikation führen. Die wird dann deutlich einfacher werden: Zehn Mitglieder hat der Kontinentalverband CONMEBOL und darf trotzdem sechs von ihnen zur WM schicken. Der siebte darf in die Play-offs. Nur drei Verbände scheiden aus.