Vorstandssprecher Axel Hellmann hat in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung die überragende Bedeutung des Europa-League-Viertelfinales gegen den FC Barcelona für die Frankfurter Eintracht betont. „Diese Paarung ist die größte denkbare, die ich in meinem Eintracht-Leben mitmachen darf“, sagte der 50 Jahre alte Vorstand. „Unser Präsident Peter Fischer hat recht, wenn er sagt, dass diese Partien die größten seit dem Europapokalfinale 1960 gegen Real Madrid sind.“
Dies sei nicht nur Fischers und sein Empfinden, sondern das der Menschen in Frankfurt und der ganzen Region. Hellmann berichtet von einer Geburtstagsfeier in der Frankfurter Stadtgesellschaft, in der es nur ein Thema gegeben habe – Eintracht gegen Barcelona. „Am liebsten hätte ich mir ein Schild umgehängt: Ich verkaufe keine Karten“. Über 250 .000 Bestellungen sind für das Heimspiel am 7. April eingegangen, 48.500 Besucher dürfen in die Arena.
Bis zu 35.000 Frankfurt-Fans in Barcelona
Auch das Rückspiel in Barcelona eine Woche später löst unter den Fans große Begeisterung aus, bis zu 35.000 Frankfurter Anhänger werden im Stadion Camp Nou erwartet. Hellmann erzählt von Fans, die ihren Urlaub in Namibia und auf Mauritius unterbrechen, um nach Barcelona zu fliegen. „Eine Mutter hat mich beschimpft, die Eintracht verderbe den Familienurlaub.“
Sportlich seien die Rollen klar verteilt: „Es ist das Spiel David gegen Goliath par excellence.“ Die Eintracht sei der David, der geliebt werde, weil er den Wettbewerb Europa League hoch einschätzt und durch seine Aufsehen erregende Kampagne 2018/19, die bis ins Halbfinale führte, aufgewertet hat. „Auf der anderen Seite steht der Goliath, der einfach die Nase rümpft und fragt: Was mache ich hier eigentlich? Wo bin ich hier? Und wenn ich dann noch höre, dass ein hoher Funktionär des FC Barcelona dem Kollegen Philipp Reschke bei der Auslosung entgegentrat und ihn dann fragte: „Frankfurt, Frankfurt, do you have a stadium in Frankfurt?“ Dann wird deutlich, dass Frankfurt auf der Karte von Barcelona überhaupt nicht vorhanden ist.“

Lesen Sie jetzt F+ 30 Tage kostenlos und erhalten Sie Zugriff auf alle Artikel auf FAZ.NET.
Aus dieser Konstellation heraus sieht Hellmann eine echte Außenseiterchance gegen den fünfmaligen Champions-League-Sieger. „Natürlich ist Barcelona die bessere Mannschaft, aber wenn sie uns unterschätzen und bei uns alles zusammenläuft, dann gibt es eine Möglichkeit. Es geht aber nur, wenn jeder Ballgewinn von uns frenetisch vom Publikum gefeiert und jeder Ballkontakt von Barcelona gnadenlos ausgepfiffen wird. Das ist die einzige Chance, die wir haben, um mit einem guten Ergebnis ins Rückspiel zu gehen.“ Die Eintracht werde ihre Chance mit Elan suchen und nicht vor Ehrfurcht erstarren.
Hellmann geht mit gutem Beispiel voran: „Wir planen für den Halbfinal-Einzug. Wir planen nicht auszuscheiden.“ Selbst wenn die Überraschung misslänge: „Wir können nur gewinnen.“ Der Vorstandssprecher meint sogar, schon gewonnen zu haben. „Diese nationale und internationale Aufmerksamkeit, aber vor allem die Elektrisierung und Emotionalisierung der Region ist nach zwei Jahren Corona-Krise wie eine Erweckung. Das ist eindeutig zu merken. Man hätte es sich nicht besser wünschen können, dass man diese Initialzündung jetzt auf dem Tisch hat.“
Eintracht von der Pandemie hart getroffen
Hellmann berichtet in dem Interview, das in der Samstagausgabe der F.A.Z. und online bei FAZ.NET erscheinen wird, wie hart die Pandemie die Eintracht getroffen hat. „Wir strotzten vor Corona vor wirtschaftlicher Kraft. Jetzt werden wir zum 30.6.2022 einen operativen Verlust von über 70 Millionen Euro ausweisen.“ Das bedeute, dass das Eigenkapital auf sieben bis zwölf Millionen Euro zusammengeschrumpft sein wird, je nachdem wie weit die Eintracht in der Europa League kommt und auf welchem Platz sie die Bundesligasaison abschließt. „Diese Eigenkapitalquote ist keine Grundlage, um in den nächsten Winter zu gehen.“ Die Eintracht überlege sich, entweder die Kosten runterzufahren oder das Eigenkapital durch Sondermaßnahmen wieder zu erhöhen. „Das diskutieren wir gerade, und wir werden im Sommer entscheiden, was wir machen werden.“
Die Eintracht habe stärker unter Corona gelitten als manch anderer Verein, die Situation habe er zeitweise als existenzbedrohend empfunden, auch jetzt seien die Ängste noch nicht ganz ausgestanden. Insgesamt ist Hellmann stolz, wie die Eintracht der schwierigen Situation begegnet sei. „Anders stellt es sich allerdings bei den Verbänden dar, wo auch ich den Eindruck bekam, manche leben in einer Art Wolkenkuckucksheim ohne Bodenhaftung. Das hat viele Leute genervt. Viele Politiker haben mir gesagt, dass sie keine Lust haben, für eine Branche in die Bresche zu springen, während beim DFB permanent die Steuerfahndung einrückt.“
Dass man beim DFB seine Energie auf die Herabwürdigung des Gegners im eigenen Gremium verwendet habe, habe Kräfte gebunden, die besser eingesetzt worden wären, die Sorgen und Nöte des Fußballs während der Pandemie zu lindern. „Ich bin sehr froh, dass es mit durchgängig neuen Protagonisten weitergeht, weil aus meiner Sicht keiner der alten es verdient hätte, dem Führungsgremium des DFB nach wie vor anzugehören. Selten habe ich einen Neuanfang so sehr begrüßt.“ Ziel der Eintracht sei es, stärker fußballpolitischen Einfluss zu nehmen. National und international. Hellmann erklärte seine grundsätzliche Bereitschaft, in Verbänden mitzuarbeiten.