Es gilt als das heißeste Derby der spanischen Liga. Wenn Betis Sevilla und der FC Sevilla aufeinandertreffen, weht ein Hauch der südamerikanischen Arenen durch die andalusische Hauptstadt. So wie jüngst am 16. Januar, als Nabil Fekir eine Ecke direkt verwandelte und für Betis zum 1:1 ausglich. Die Betis-Fans flippten im eigenen Stadion aus, eine Fahnenstange aus Plastik flog aufs Spielfeld und traf Joan Jordán am Kopf.
Der Mittelfeldspieler des FC Sevilla wurde behandelt, sein Team ging aus Protest in die Kabine. Die Partie wurde am nächsten Tag weitergespielt, am Ende gewann Betis 2:1. Was das zeigt: Eintracht Frankfurt erwartet zum Achtelfinale in der Europa League an diesem Mittwoch (18.45 Uhr im F.A.Z.-Liveticker zur Europa League und bei RTL+) im Estadio Benito Villamarín ein heißer Tanz.
Schon lange war Betis nicht so erfolgreich wie gegenwärtig. Sie stehen nicht nur im Achtelfinale der Europa League, am 23. April spielen sie auch im Finale des nationalen Pokals. Und in der Liga haben sie gute Chancen auf einen der vier Champions-League-Plätze, auch wenn sie am Wochenende gegen Atlético Madrid eine 1:3-Heimniederlage kassiert haben und nun auf den fünften Tabellenplatz abgerutscht sind.
Heimstätte des spanischen Fußballs
Dass mit Betis Sevilla und dem FC Sevilla – Zweiter in La Liga – gleich zwei Klubs aus der andalusischen Hauptstadt so gut dastehen, ist für Juanma Cabrera keine Überraschung. „Ich frage mich eher, warum das nicht die Regel ist“, sagt der 50-jährige Anhänger des FC Sevilla, der am Donnerstag ebenfalls im Achtelfinale der Europa League West Ham United empfängt. Beide Klubs spielten fast immer vor ausverkauftem Haus und hätten das Potential für eine dominierende Rolle im spanischen Fußball.
Zumal Andalusien die Heimstätte des spanischen Fußballs ist. Britische Minenarbeiter hatten ihn mitgebracht, 1889 wurde mit Recreativo Huelva westlich von Sevilla der erste spanische Fußballverein gegründet, 1890 folgte der FC Sevilla, 1907 Betis. Der FC Sevilla ist von beiden Vereinen aus Sevilla der deutlich erfolgreichere, war fünfmal spanischer Pokalsieger, einmal spanischer Meister und hat seit 2006 zweimal den UEFA-Pokal und viermal die Europa League gewonnen.
Trickreicher Gestalter: Nabil Fekir (rechts) ist Sevillas Regisseur.
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Bild: AFP
Da fällt es leicht, gut über den weniger erfolgreichen Rivalen zu sprechen, gibt Cabrera zu. Während Cabreras FC Sevilla strategisch klug Spieler günstig ein- und teuer verkaufte und in den letzten Jahren europäische Titel sammelte, kämpfte Betis ums Überleben, stieg 2009 und 2013 ab. Noch 2019 belegte Betis den 15. Tabellenplatz. So ist auch das erste Spiel, an das sich Montse Rojas im Estadio Benito Villamarín erinnern kann, eine Niederlage.
„Ich schätze, ich war so zehn Jahre alt. Wir spielten gegen Real Madrid. Ich verstand wenig vom Fußball und feierte sogar das Tor von Real Madrid“, erinnert sich die Krankenpflegerin. Seither stritten sich die Geschwister, wer den Vater zu Betis begleiten durfte. Sie erinnert sich an schlimme Jahre, besonders die zehnjährige Präsidentschaft von Manuel Ruiz de Lopera (1996–2006) ist ihr schlecht in Erinnerung. „Er gab sehr viel Geld aus“, kommentiert sie diese Zeit.
Hitzköpfe und Stratege Fekir
Und er nahm es mit den Gesetzen nicht so genau. 2006 wurde er wegen Unregelmäßigkeiten in der Buchhaltung zu einer Haftstrafe von sieben Monaten und fünf Millionen Euro Strafe verurteilt. Der Klub wurde in der Folge zwangsverwaltet.
Inzwischen geht es bei Betis ruhiger zu. Montse Rojas schreibt den Erfolg vor allem Trainer Manuel Pellegrini zu. Der Chilene kam 2019 und gilt als ebenso kultiviert wie das Spiel, das er auf dem Rasen sehen möchte. Mit seiner Gelassenheit stellt er einen krassen Kontrast zu den Hitzköpfen auf der Tribüne dar. Von ihm sind so lapidare Sätze zu hören wie: „Wenn der Schiedsrichterassistent keine Rote Karte sieht, ist es keine Rote Karte.“ Pellegrini hat gerne die meiste Zeit den Ball, liebt das Flügelspiel und eine offensive Verteidigung, um den Ball bei Verlust so schnell wie möglich zurückzuerobern. Sein Spielgestalter ist der Franzose Nabil Fekir.
Nur noch selten spielt Joaquín, das Urgestein von Betis, dabei fragt sich Montse Rojas, wie es wohl weitergeht, wenn er mal nicht mehr dabei ist. Der 40-Jährige aus der eigenen Jugendabteilung ist 2015 über die Stationen Valencia, Málaga und Florenz zu seinem Heimatverein zurückgekehrt. Es wird wohl seine letzte Saison werden, in dieser Saison ist er bislang nur einmal von Beginn an aufgelaufen, wurde elfmal eingewechselt und erzielte vier Tore.
Montse Rojas und Juanma Cabrera sind übrigens gute Freunde. Die spanienweit bekannte Hitzköpfigkeit der Fans halten sie für einen der Mythen des Fußballs. Selbst im Wurf der Fahnenstange sieht Sevilla-Fan Cabrera eher eine Anekdote, ein Vergehen zwar, aber kein schweres. Früher seien ganz andere Gegenstände aufs Feld geflogen, sagt er. Und gegen die Eintracht gönnt er seiner Freundin Montse sogar den Sieg ihres Teams.