Als der 13 Jahre alte Nikita Semenow beim Anstoß auf Erling Haaland passte, hatten viele der 35.000 Zuschauer im Dortmunder Westfalenstadion einen Kloß im Hals. Mit seiner Mutter war der Nachwuchsfußballer von Dynamo Kiew aus einem Luftschutzbunker über Polen nach Berlin geflüchtet, nun durfte er das Benefizspiel zwischen der Borussia und dem ukrainischen Vorzeigeklub eröffnen. Es war nur eines von vielen großen und kleinen Zeichen für den Frieden an einem denkwürdigen Abend.
Dass der BVB gegen Dynamo am Ende 2:3 (1:3) verlor, war nur Nebensache. Tore durch Vitaliy Buyalskiy (9. Minute) und Vladyslav Vanat (11./35.) zum 3:2 (3:1) für Dynamo Kiew wurden von den Fans beider Teams gemeinsam bejubelt. Die Treffer für den BVB steuerten Jamie Bynoe-Gittens (4.) und Tom Rothe (65.) bei.
Wo sonst Schwarz-Gelb regiert, bestimmten an diesem Abend die Farben Blau und Gelb der Ukraine die Szenerie. „Stop War“ stand auf den Banden, vor dem Anstoß lief die Nationalhymne. „Es geht darum, ein Zeichen zu setzen – und ein wenig Geld zu verdienen“, sagte BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke im ZDF, das live übertrug.
Auf den Rängen gab es zahlreiche Plakate mit politischen Botschaften.
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Bild: AP
Die stolze Zahl von 400.000 Euro kam schließlich zusammen. Damit dürfte der Bundesligaklub nach ähnlichen Partien des 16-maligen ukrainischen Meisters aus Kiew in Warschau, Istanbul und Cluj zum bisher höchsten Erlös dieser Mission beigetragen haben. „Wir werden damit etwas Ordentliches machen, wir haben da viel Erfahrung“, sagte Watzke.
Der frühere Bundesliga-Profi Andrej Woronin bedankte sich für die Unterstützung. „Wir hoffen, dass wir bald auch in der Ukraine wieder solche Spiele spielen können. Ich bete jeden Tag, dass es so schnell wie möglich zu Ende ist. Leider sehen wir kein Ende“, sagte der langjährige Nationalspieler der Ukraine.
Auf den Tribünen herrschte große Einigkeit. „Stop War – Stop Putin“, „Save Mariupol“ oder schlicht „Frieden“ stand auf Plakaten, als die Spieler zu den Klängen der Fußball-Hymne „You’ll never walk alone“ den Rasen betraten – die Gäste jeweils in eine Landesflagge gehüllt. Iwan Matwijtschuk aus der U17 von Schachtjor Donezk, der mit seiner Mutter und seinem Großvater aus der Ukraine geflüchtet war und momentan in Dortmund lebt, half Stadionsprecher Norbert Dickel beim Verlesen der Aufstellungen.
Ein Spiel für den Frieden: Die Kapitäne Sergey Sydortschuk und Marco Reus (r.)
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Unter den Zuschauern befanden sich auch DFB-Präsident Bernd Neuendorf und NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst. Neuendorf sprach während der Partie von einer wichtigen Botschaft in Richtung Ukraine. „Dort rollen die Panzer, die Menschen leben in permanenter Angst. Da bedeutet so ein Spiel eine wichtige Abwechslung“, sagte der DFB-Boss.
Beim BVB hatte nie ein Zweifel an der Durchführung der Begegnung bestanden. „Für uns ist es nichts Neues, dass wir uns für Leute einsetzen, die in Not geraten sind. Wir haben das schon bei der Flut gemacht, das ist für uns selbstverständlich“, sagte Reinhard Rauball im ZDF: „Als Präsident von Borussia Dortmund bin ich stolz auf diejenigen, die heute gekommen sind und damit dafür gesorgt haben, dass Menschen etwas zu essen und trinken bekommen“.
Ukrainerinnen und Ukrainer konnten Freikarten für das Spiel buchen, allen Fans wurden Solidaritätsarmbänder angeboten. Auch Wüst sprach von einem „starken Zeichen“ gegen den Krieg: „Danke an Borussia Dortmund für diese tolle Aktion!“