Der Respekt vor West Ham ist gewaltig – und die Vorfreude auf den sportlichen Wettstreit mit den Engländern ist es auch. „Dieses Halbfinale ist das größte Spiel meiner Karriere“, sagte Oliver Glasner rund 24 Stunden vor dem Anpfiff bei West Ham United in den Katakomben des London Stadium. „Wir brauchen unsere bestmögliche Leistung, und wir werden auch jetzt wieder auf Sieg spielen. Es wird ein heißes Duell.“ Der Eintracht-Trainer im Angriffsmodus – und mit ihm seine Mannschaft, die sich mit aller Akribie und auf bekannte Weise auf das Semifinale in der Europa League vorbereitet hat.
Wie schon bei den zurückliegenden attraktiven Auswärtsspielen in Piräus, Istanbul, Sevilla und Barcelona hat das Team auch vor dem Hinspiel an diesem Donnerstag (21.00 Uhr im F.A.Z.-Liveticker zur Europa League und bei RTL) bei West Ham United das Abschlusstraining auf bekanntem Terrain an der Frankfurter Arena absolviert. Noch einmal Kraft tanken für die herausfordernde Aufgabe bei den „Hammers“. Die Malocher aus dem Londoner Osten sind ein schwerer Brocken. West Ham ist bekannt für seine kompromisslose Einsatzbereitschaft und die konstant hohe Gefahr bei Kontern.
Doch die Eintracht fühlt sich bereit, dagegenzuhalten und den Traum von einem abermaligen Dienstflug nach Sevilla, dann zum Finale am 18. Mai, am Leben zu halten. „Wir haben die Chance, etwas Unglaubliches zu erreichen“, sagte der neben Glasner auf dem Podium im London Stadium sitzende Djibril Sow. „Ganz Frankfurt freut sich auf dieses Spiel.“ Eine gehörige Portion Selbstvertrauen bezieht Glasners Mannschaft aus dem bravourösen Coup gegen Barcelona. Ein Erfolg gegen den Königsklassenprimus, scheinbar für die Ewigkeit.
„Totale Vorfreude“
So schätzt Philip Holzer den Halbfinaleinzug sogar höher ein als die weiterhin mögliche Qualifikation für die Champions League der kommenden Saison. Dem „Kicker“ sagte der Aufsichtsratsvorsitzende der Eintracht Frankfurt Fußball AG zu Wochenbeginn: „Ein Sieg in der Europa League zählt genauso viel wie ein Sieg in der Champions League. Und aus dieser UEFA-Koeffizientenrangliste ergeben sich längerfristig planbare Einnahmen für unseren Verein.“
Für den langjährigen Investmentbanker sei dies für die Perspektivplanungen „wichtiger als der Einmal-Effekt einer Champions-League-Teilnahme“. Aber natürlich: Auch Holzer weiß, dass wegen der bislang ernüchternd verlaufenen Bundesligasaison die ersehnte Rückkehr nach Europa nur über einen Finalsieg in Sevilla führt. Ansonsten droht zumindest ein Jahr ohne internationalen Wettbewerb.
Holzer blickt „mit totaler Vorfreude“ auf die beiden Halbfinalbegegnungen gegen die „Hammers“. Er ist überzeugt: „Die Mannschaft wird wieder alles geben, unter neuen Vorzeichen und mit dem gleichen Spirit. Trotzdem wird West Ham viel, viel schwieriger als Barcelona.“ Binnen drei Jahren ist es schon das dritte Mal, dass sich die Eintracht in London beweisen muss. In der Europa-League-Kampagne 2018/2019 gab es jenes epische Halbfinale an der Stamford Bridge, wo sich die Eintracht unglücklich im Elfmeterschießen dem FC Chelsea geschlagen geben musste.
Damals in London: Im Halbfinale gegen Chelsea scheiterte die Eintracht 2019 im Elfmeterschießen.
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Bild: dpa
In der darauffolgenden Saison führte die Reise ein weiteres Mal in die Welthauptstadt des Fußballs und zum FC Arsenal. Dort wurde in der Gruppenphase verdient gewonnen, und es war so etwas wie die europäische Geburtsstunde des Japaners Daichi Kamada. Der wirbelnde Kamada erzielte beide Tore zum 2:1-Sieg. Nun also West Ham. Zum dritten Mal Vorhang auf in London.