Ein Abiturient an der Frankfurter Schillerschule hat am Freitagvormittag ein besonderes Problem zu lösen versucht: Er fragte bei seiner Schulleiterin Claudia Wolff an, ob seine sportpraktische Fußball-Abiturprüfung verlegt werden kann, weil er nach dem Halbfinalsieg seiner Eintracht gegen West Ham United gerne beim Europa-League-Finale in Sevilla gegen die Glasgow Rangers dabei wäre – sozusagen Theorie statt Praxis. „Wir sind gewillt, unseren Fußballfans in ihrem Fieber entgegen zu kommen “, sagt Wolff auf Nachfrage. „Aber wir sind noch fern davon, etwas versprechen zu können.“ Der Fußball-Wahnsinn in der Stadt hat also schon die Abiturprüfungen erreicht.
Prüfungen ganz anderer Art haben derweil tausende Reisewillige zu bestehen: Sevilla ist nur durch Nadelöhre zu erreichen. Die Stadt wird beispielsweise von der Lufthansa nur einmal am Tag angeflogen. Wer den Bus wählt, muss sich auf eine 2300 Kilometer lange Tour einstellen. Dazu gilt: „Beim Fußball verkompliziert sich alles durch die Anwesenheit der gegnerischen Mannschaft.“ Diese treffende Formulierung geht auf keinen Fußballtrainer, sondern den französischen Existenzphilosophen Jean-Paul Sartre zurück. Sartre bezog sich natürlich auf den Platz, auf dem die Wahrheit liegt.
„Das reicht hinten und vorne nicht“
Für die Eintracht-Fans gilt das nach dem Einzug ins Finale der Europa League – aber auch außerhalb. Wäre RB Leipzig der Gegner geworden, hätten sich die Eintracht-Fans vermutlich halbwegs zufriedenstellend mit Karten versorgen können, da die Sachsen keine anders als die Schotten keine nennenswerte Zahl an Fans nach Sevilla gelockt hätten und die Frankfurter entsprechend mehr Karten hätten erwerben können.

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Für das nur gut 40.000 Zuschauer fassende Stadion des FC Sevilla, für das ohnehin nur 33.000 Karten in den Verkauf gehen beziehungsweise bereits gegangen sind, wird es nun komplizierter. 13.000 Karten wurden bis zum vergangenen Donnerstag über die Homepage des europäischen Fußballverbands UEFA frei verkauft, viele Eintracht-Fans hatten schon da, ehe auch nur das Hinspiel gegen West Ham angepfiffen war, Karten bestellt. Die allermeisten erhielten freilich eine Absage und müssen nun auf eine von 10.000 Karten hoffen, die ihrem Klub wie auch den Rangers als Kontingent zur Verfügung gestellt werden. Die restlichen 7000 Karten sind von der UEFA für lokale Vertreter, Funktionäre oder auch Sponsoren zurückgehalten, wie der Verband auf Nachfrage erläutert.
„Das reicht natürlich hinten und vorne nicht, um das Interesse zu befriedigen“, sagt Frank Klepper vom Eintracht-Fanclub Raunheim, einem der aktivsten unter den weltweit vielen hundert Zusammenschlüssen von Eintracht-Anhängern. Er schätzt, dass mindestens so viele Frankfurter anreisen wollen wie vor drei Wochen nach Barcelona, wo es 30.000 Hessen waren. Klepper ist so erfahren im Planen von Auswärtsreisen, dass er am späten Freitagvormittag schon ganz entspannt über seine Reise nach Sevilla plaudern kann. Sechs Betten hatte er schon vor der Reise zum Halbfinal-Hinspiel gebucht, 40 Karten hat er nun beim Fanclubverband beantragt. Und er hat gute Aussichten, dass zumindest ein Teil der Kartenwünsche erfüllt wird. „Der Flieger steht noch nicht am Flughafen und hebt auch nicht gleich ab“, sagt er schmunzelnd. „Aber ich bin guter Dinge: Wir fahren seit vielen Jahren zu jedem Spiel, gleich ob Bundesliga oder eben nach Antwerpen, Piräus oder Barcelona immer mit als Fanclub. Das fließt in die Verteilung der Karten, die der Fanclubverband von der Eintracht zugeteilt bekommt, ein.“
Inbegriffen in der Anfrage ist ein Platz in einem der voraussichtlich 20 bis 25 Flugzeuge, die am Endspieltag selbst nach Sevilla fliegen und in der folgenden Nacht oder im Tagesverlauf wieder zurück nach Frankfurt abheben. „Nur die Unterkünfte muss jeder selbst organisieren“, sagt Klepper.