Luis Díaz stand gerade drei Minuten auf dem Rasen im Fußballstadion an der Anfield Road, als er ein ganz besonderes Kunststück vorführte. Einen langen Ball nahm er, dicht an der Außenlinie, auf solch spektakuläre Art an, dass die Fans auf den besten Plätze direkt hinter ihm teils mit offenem Mund staunten, als der Stürmer mit dem Spielgerät schon längst weiterlief. Díaz hatte seinen rechten Fuß hinter dem linken Bein gekreuzt und den Ball in der Luft unter Kontrolle gebracht. Damit tun sich andere Profis selbst im Training ohne Gegnerdruck ziemlich schwer. Díaz aber zog die Kugel fast magnetisch an.

Mo. – Fr. um 16.00 Uhr; Sa. – So. um 18.00 Uhr
Nicht nur diese Szene beflügelte den Liverpool Football Club nach einer schweren Stunde. Im Derby mit Stadtrivale FC Everton hatte sich der Titelkandidat abgemüht mit dem Abstiegskandidaten aus der gleichen Stadt. Dann fiel das 1:0 durch einen Kopfball von Andrew Robertson nach Flanke von Mohamed Salah (62. Minute). Für die Entscheidung sorgten Jürgen Klopps Joker. Díaz legte sich bei einem Seitfallzieher quer in die Luft, den aufspringenden Ball wuchtete Divock Origi mit seinem Schädel ins Netz (85.). Im Kampf um den Titel liegt Liverpool weiter nur einen Punkt hinter Manchester City, das tags zuvor 5:1 siegte.
Es ist ein Spektakel auf der Zielgerade, das Fans aus Ländern, in denen Mannschaften ihren zehnten Meistertitel in Serie drei Spieltage vor Saisonende mal wieder mit überdimensionalen Biergläsern routiniert feiern, neidisch werden lässt. Das liegt jedoch gar nicht nur an der Monotonie, die das gewohnte Schauspiel verbreitet, sondern auch an der Qualität, die woanders auf dem Rasen zu sehen ist. Díaz‘ Trick ist nur ein Beispiel, das schön anzuschauen ist. Manchester City und Liverpool spielen auf einem Niveau, das derzeit weltweit seinesgleichen sucht. Die Leistungen in der Champions League sprechen für sich.
Liverpool und das Quadruple
Dort geht es nun mit den Hinspielen im Halbfinale weiter. Pep Guardiola und City legen gegen Real Madrid am Dienstag (21.00 Uhr im F.A.Z.-Liveticker zur Champions League und Prime Video) vor, am Mittwoch (21.00 Uhr im F.A.Z.-Liveticker zur Champions League und DAZN) sind Klopp und Liverpool gegen Bayern-Besieger FC Villarreal gefordert. In der Woche danach fallen die Entscheidungen, wer ins Finale am 28. Mai in Paris einzieht. Es würde nicht wirklich überraschen, wenn das hochklassige Gigantenduell aus der englischen Premier League in der französischen Kapitale seinen finalen Höhepunkt erreichen würde.
Vorher stehen noch je fünf nationale Aufgaben auf dem Spielplan. Manchester City scheint nicht nur wegen des einen Punktes Vorsprung im Vorteil zu liegen. Wolverhampton, Leeds, Newcastle, West Ham und Aston Villa scheinen nicht schwerer zu wiegen als Liverpools Gegner Newcastle, Tottenham, Aston Villa, Southampton und Wolverhampton. Dazu kommt für Klopp und Co. noch ein Endspiel am 14. Mai. In Wembley geht es gegen Thomas Tuchels FC Chelsea um den FA-Cup-Titel. So ergibt sich für Liverpool eine Chance, die es womöglich nur einmal in einem Fußballerleben gibt: das Quadruple.
Klopp hat häufig betont, dass es eigentlich unmöglich ist, alle vier großen Pokale in dieser Saison auch wirklich zu gewinnen. Aber was ist schon unmöglich für eine solch herausragende Mannschaft? Selbst auf der Zielgeraden einer schlauchenden Saison hat sie in bester Usain-Bolt-Manier noch die Ruhe, um links und rechts zu schauen und dann doch souverän zu bleiben. Das Duell mit Everton war nicht leicht für Liverpool. Doch Klopp hatte die Chance, für die entscheidende halbe Stunde unglaubliche Qualität per Einwechslung auf den Tisch legen zu können. Und es klappte: Liverpool gewann das Spiel noch.