Als Spieler hatte Unai Emery für gewöhnlich „die Hosen voll“. Das sagt er von sich selbst in seinem 2012 veröffentlichten Buch mit dem anspruchsvollen Titel „Siegermentalität“. Er war 29 Jahre alt, als er für Toledo in der vierten spanischen Liga spielte. „Wir wetteten im Bus immer auf die Ergebnisse des Spieltags“, erinnert sich Emery. Auf dem Weg zum Auswärtsspiel nach Elche tippten er und ein weiterer Mitspieler darauf, dass das eigene Team verlieren würde. „Das war logisch, die anderen waren viel besser“, begründet er die Entscheidung, doch im Fanklub, der das Tippspiel organisierte, waren sie entsetzt.
„Wie kannst du darauf wetten, dass unser Gegner gewinnt?“ Die Empörung habe seine Einstellung verändert, sagt der spanische Fußballlehrer heute. Wenn der von ihm trainierte Villarreal CF zum Viertelfinale der Champions League an diesem Mittwoch (21.00 Uhr im F.A.Z.-Liveticker zur Champions League und bei DAZN) gegen Bayern München antritt, dann tippt er auf Sieg. Trotzdem schwärmt Emery von den Bayern: „Das ist ein großer Name, wie Juventus oder PSG. Sie gehören zu den fünf, sechs besten Mannschaften der Welt“, sagt er.
Emery lobt das offensive, nicht nur am Ergebnis orientiertes Spiel der Münchner. „Wie alle deutschen Mannschaften haben sie viele box-to-box-Spieler, sie sind zweikampfstark in der Defensive, haben einen Torwart, der nicht nur hält, sondern mitspielt. Und sie haben Lewandowski.“ Man könnte also meinen, Villarreal habe nichts entgegenzusetzen. Emery spricht vom Kollektiv, mit dem er Bayerns Spieler begegnen möchte, aber auch er hat Individualisten im Team.
Stürmer Gerard Moreno hatte vergangene Saison dreißig Mal getroffen. Diese Saison fehlte er oft verletzt, doch rechtzeitig für die Bayern hat er sich von einer Wadenverletzung erholt. Er gehört ebenso zu Spaniens Nationalmannschaft wie Yeremi Pino, ein Rechtsaußen, den Emery auch als Außenverteidiger einsetzt. Die Innenverteidiger Pau Torres und Raúl Albiol sind ebenfalls Nationalspieler.
Probleme in der Liga
Wie die meisten spanischen Mannschaften hat Villarreal am liebsten den Ball, denn solange sie ihn haben, hat ihn der Gegner nicht, begründen ihre Trainer dieses Spielverständnis. Allerdings kann Villarreal auch extrem defensiv spielen. „Sie standen mit neun Mann hinter dem Ball“, klagte Massimiliano Allegri von Juventus Turin nach der 0:3-Niederlage.
Der taktikbesessene Emery meint, Juve habe viel Druck gemacht, da habe er umgestellt, und der Viererkette je nach Bedarf noch Leute hinzugefügt. Man kann sich gut vorstellen, wie er beim Bier Flaschen und Gläser verschiebt, um Freunden seine Taktik zu erklären. Von dieser Gewohnheit berichtet er gerne selbst.
Vor dem Spiel gegen die Bayern hat er sich jedoch nicht auf die Tischdecke blicken lassen. Es wird wohl eher die defensivere Variante sein. In der Liga war Villarreal zuletzt weniger erfolgreich, hat zweimal verloren, 0:1 in Cádiz und 0:2 bei Levante in Valencia und ist auf den siebten Platz abgerutscht. Der Ligaalltag falle seinem Team schwer, gibt Emery zu. Real Madrid oder der FC Barcelona könnten sich nach einem Erfolg im internationalen Wettbewerb schneller wieder auf die Liga konzentrieren.
Beim FC Sevilla hatte er es fast geschafft. Von 2014 bis 2016 gewannen die Andalusier mit ihm als Trainer die Europa League dreimal in Serie. Doch in der Champions League blieb ihnen der Triumph mit Emery verwehrt. Auf diese Zeit folgte 2016 ein Engagement in Paris. Zweimal scheiterte das Team im Achtelfinale, trotz des 222-Millionen-Euro-Transfers Neymar.
Gerad Moreno erzielte in der Liga acht Tore in 15 Spielen und bereitete zwei weitere Treffer vor.
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Bild: dpa
Doch wenn er selbst von jener Zeit spricht, ist bei ihm keine Bitterkeit herauszuhören. In jeder Etappe in seiner Karriere habe er dazugelernt, sagt der 50 Jahre alte Baske. Wenn Emery über seine Spieler spricht, über sein Verhältnis zu ihnen, gewinnt man den Eindruck, dass er sich auch als eine Art Tutor fühlt, der nicht nur ihre sportliche Entwicklung im Sinn hat. Fußballprofis müssten sich ihrer Verantwortung bewusst sein. Doch daraus dürfe kein Druck werden. „Zu meiner aktiven Zeit hatte ich richtige Angst“, erinnert er sich. „Niemand zeigte mir, meine Emotionen unter Kontrolle zu halten.“ An diesem Mittwoch gegen die Bayern soll niemand „die Hosen voll“ haben.