Schon der neue Name weist darauf hin, dass der Wunsch nach mehr Wettbewerbsgerechtigkeit, die mancher Träumer mit der Reform des Financial Fairplay verbunden hatte, unerfüllt bleiben wird. Das Wörtchen „Fairplay“ ist verschwunden aus dem Regelwerk, das das Exekutivkomitee des Europäischen Fußballverbandes (UEFA) an diesem Donnerstag zur Kontrolle der wirtschaftlichen Aktivität der großen Fußballmarken beschließen wird.
Am Ende einer dreijährigen Einführungsphase müssen die Vereine sich einem Agreement unterwerfen, das als „Financial Sustainability“ ausgehandelt wurde; es geht darin eher um wirtschaftliche Nachhaltigkeit als um sportliche Gerechtigkeit. Die Vereine, die trotz ihrer enormen Einnahmen immer wieder finanzielle Probleme haben, sollen zu mehr Besonnenheit gezwungen werden.
„Ein Kompromiss“
Investorenklubs werden jedoch weiterhin deutlich bessere Erfolgsaussichten haben als mitgliedergeführte Konkurrenten. Hans-Joachim Watzke, der Geschäftsführer von Borussia Dortmund, sagt dennoch: „Am Ende ist es ein Kompromiss geworden, von dem ich vor einem Jahr noch nicht geglaubt hätte, dass der auf diesem Niveau erreichbar ist.“
Watzke hat während des monatelangen Ringens um das künftige Regelwerk gemeinsam mit Bayern Münchens Vorstandschef Oliver Kahn, mit Michael Gerlinger, dem Justiziar des Rekordmeisters, sowie mit Bayer Leverkusens Geschäftsführer Fernando Carro deutsche Interessen vertreten. Gegen enorme Widerstände, sagt Watzke: „Klubs, die an einem großen Investor hängen, haben eine völlig andere Wahrnehmung und eine völlig andere Zielvorstellung als Klubs mit anderen Strukturen. Das aufzulösen ist relativ schwierig, wir mussten harte Kämpfe ausfechten.“
Verstöße werden sanktioniert
Herausgekommen ist ein Regelwerk mit drei Kernpunkten: Am Ende der dreijährigen Einführungsphase dürfen die Fußballunternehmen nur noch 70 Prozent ihrer Einnahmen aus Sponsoring, Spielerverkäufen, Ticketing, medialer Vermarktung und Merchandising für Gehälter, Transfers und Beraterkosten in ihren Profikader investieren. Zudem ist es externen Investoren untersagt, über einen Zeitraum von drei Jahren durchschnittlich mehr als 20 Millionen Euro pro Saison zuzuschießen, um Defizite auszugleichen.

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Auswüchse wie der Kauf eines Superstars wie Neymar für 220 Millionen Euro bei Paris St. Germain, der direkt mit Geld der qatarischen Klubbesitzer finanziert wurde, dürften damit unmöglich werden. Der dritte wesentliche Fortschritt bestehe darin, „dass Verstöße automatisch sanktioniert werden“, sagt Watzke. „Solche Fälle gehen nicht mehr vor irgendwelche Gerichte, sondern ein Fehlverhalten mit der Summe x oder y löst sofort eine entsprechende Strafe aus.“ Zunächst in Form von deutlich spürbaren Zahlungen oder Punktabzügen, im Wiederholungsfall folgt ein Zwangsabstieg im internationalen Wettbewerb, etwa von der Champions League in die Europa League.
Nachgeben an vielen Stellen
Mit diesen Maßnahmen könne die UEFA immerhin „eine leichte Bremse reinbekommen bei den Gehältern und den Ablösesummen“, sagt Bayern-Vorstand Kahn, aber der große Wurf, um die vielfach kritisierten Entwicklungen im Profifußball wirklich zu stoppen, lag nicht einmal auf dem Tisch. Versuche, die Dinge substanziell zu verändern sind offenbar aussichtslos in der European Club Association (ECA), wo die mächtigsten Klubs des Kontinents die Reform ausgehandelt haben und der Qatarer Nasser al-Khelaifi Vorsitzender ist.
Eher traditionsbewusste Vereine aus der Bundesliga und kleineren Nationen mussten an vielen Stellen nachgeben gegen die Vertreter der Premier League, der Serie A und von Paris St. Germain, die weiterhin möglichst unbeschränkt Millionensummen von Staaten, Oligarchen, Scheichs, Fonds und Milliardären entgegennehmen möchten. Zudem muss sich erst noch zeigen, wie gut die neuen Regeln handwerklich sind.
Das alte Financial Fairplay hatte so viele Schwachstellen, dass die Vorgaben problemlos umgangen werden konnten, und auch mit dem „Financial Sustainability“-Regularium könne niemand ausschließen, dass Klubs nach Schlupflöchern suchen, aber das sei nun „deutlich schwerer“, sagt Watzke. Immerhin seien wirtschaftliche Aktivitäten, die überprüft werden, „jetzt objektivierbar“. Dafür mussten die Deutschen und ihre Verbündeten in Kauf nehmen, „dass der Rahmen relativ breit gesteckt wurde“, was die Wettbewerbsfähigkeit der Bundesliga weiter schwächen wird.
Nicht einmal die aktuelle Weltlage habe zu einem Umdenken geführt. Er sei „froh, dass kein deutscher Klub in der Hand eines russischen Oligarchen ist und dass Staaten wie Saudi-Arabien noch keinen Zugang zum deutschen Fußball haben“, sagt Watzke, denn solche Verbindungen würden „sich irgendwann rächen“. Aber in England, Paris und Italien sind etliche Klubs längst viel zu abhängig von ihren mitunter zweifelhaften Unterstützern.