Kurz vor der Pause lieferten sich Thomas Müller und Christian Streich ein kleines Scharmützel. Ganz offensichtlich war Streich der Meinung, dass „Radio“ Müller nicht so viel senden solle, so jedenfalls war seine kleine Geste in Richtung des Münchner Nationalspielers verstehen. Auslöser war das robuste Einsteigen Leon Goretzkas bei einem Zweikampf gewesen. Beim Gang in die Kabinen vertrugen sich Müller und der Freiburger Trainer schon wieder, aber die kleine Szene zeigte: Es ging eng und intensiv zu bei diesem Bundesliga-Spitzenduell am Samstagnachmittag.
Nach am Ende fast 100 Spielminuten hieß es dennoch ziemlich deutlich 4:1 für den Rekordmeister, nach der Pause war es das torreiche Duell, das das Publikum sich erhofft hatte zwischen dem Branchenführer und Streichs badischem Fußball-Vorzeigebetrieb, mit Toren, aber auch mit ganz speziellen Geschichten, die dazugehörten – an denen am Ende aber vor allem die Münchner ihre Freude hatten. Sie legten im Meisterrennen mit Borussia Dortmund wieder vor und stimmten sich mit dem verdienten Sieg auf das Viertelfinal-Hinspiel in der Champions League am Mittwoch beim FC Villarreal ein.
Das 0:1 in der 58. Minute war eine Koproduktion zweier Männer, die unter besonderen Umständen den Platz betreten hatten. Freistoß Kimmich, Kopfball Goretzka, Tor. Das sah einfach aus. Aber Joshua Kimmich war seinem Team erst am Spieltag hinterhergereist, nachdem die Geburt seines dritten Kindes weiter auf sich hatte warten lassen. Und Goretzka war nach vier Monaten Verletzungspause zum ersten Mal wieder am Ball. Das wirkte lange Zeit eher wie Heranführung an höhere Aufgaben, erwies sich dann aber als effizienter Volltreffer.
Petersen trifft nach 17 Sekunden
Doch noch während sich Julian Nagelsmann und Goretzka nach dessen Auswechslung (62.) über den gemeinsamem Coup freuten, schob sich eine andere, eine Freiburger Geschichte in den Vordergrund. Nils Petersen hatte während der Woche seinen Vertrag verlängert, gleichzeitig mit Goretzkas Abgang war er eingewechselt worden – und nutzte sogleich die erstbeste Gelegenheit nach 17 Sekunden auf dem Platz nicht nur zum 1:1, sondern zugleich auch seinem 100. Pflichtspieltor für den Sport-Club (63.). Im neuen Freiburger Stadion, das zum ersten Mal proppevoll sein durfte, herrschte nun Festtagsstimmung. „Zieht den Bayern die Lederhosen aus“, das hört und singt man auch im Breisgau besonders gern. Doch der Jubel war von kurzer Dauer. In der 73. Minute traf Serge Gnabry, der – richtig – ebenfalls gerade erst eingewechselt worden war, wieder zur Münchner Führung. Und als Kingsley Coman in der 82. Minute erhöhte, stand der Sieger fest.
Wechselfehler sorgt für Aufregung
Für Aufregung sorgte noch eine Wechselangelegenheit, die für eine achtminütige Nachspielzeit sorgte, in der die Freiburger aber am Ergebnis nichts mehr änderten – es waren vielmehr die Münchner, die nochmal eiskalt nachlegten, in Person von Marcel Sabitzer (90.+6). Zuvor waren die Bayern bei der Doppel-Einwechslung von Sabitzer und Niklas Süle für Coman und Tolisso in der 86. Minute für rund zwanzig Sekunden zu zwölft auf dem Feld.
Zu Beginn hatte sich am Samstag zwar die gewohnte und erwartete Münchner Dominanz gezeigt, allerdings eine, die lange Zeit nicht viel wert war. Nagelsmann hatte in der Startaufstellung die Muskeln spielen lassen. Robert Lewandowski war dabei, und eben Kimmich und Goretzka – was den Nebeneffekt hatte, dass sich Jamal Musiala, der Gewinner der Länderspielwoche, auf der Bank wiederfand. Kimmich nahm das Spiel im Zentrum in die Hand, aber so richtig auf Touren kamen die Bayern nicht. Gefährlich wurde es dann, wenn auf der linken Seite Coman auf die Reise geschickt wurde, wie in der 13. Minute, als eine Hereingabe des Franzosen Müller erreichte, dessen Schuss aber geblockt wurde. Ansonsten aber kam nicht viel.
Kleine Gesten der Unzufriedenheit wurden häufiger, konstruktive Angriffe seltener. Immerhin: Gefährlich wurde es hinten nicht. Auch, weil die Freiburger das letzte Risiko scheuten gegen Nagelsmanns Viererkette à la française mit Pavard, Nianzou, Upamecano und Hernandez. Einmal schaffte Eggestein es vor der Pause, den Ball vielversprechend in die Tiefe zu legen, doch Hölers Schussversuch ging ins Leere.
Schlotterbecks Fehler vor Gnabrys Treffer
Ein Spiel gegen die Bayern ist immer etwas Besonderes, für Nico Schlotterbeck aber wird es sich noch einmal ein bisschen speziell angefühlt haben. In der vergangenen Woche stand er noch mit einigen Münchnern zusammen auf dem Platz, bei den Testspielen der Nationalmannschaft. Beim Wiedersehen in der Bundesliga waren sie Gegner – aber doch irgendwie auf Augenhöhe. Nach seinen ersten Länderspiel-Einsätzen darf sich auch Schlotterbeck als veritabler Nationalspieler fühlen. Und einer, der lange Zeit auch im Liga-Alltag wieder positiv auffiel, vor allem, nachdem er sich mit zunehmender Spieldauer mehr nach vorn wagte.
Schlotterbeck hat in dieser Saison so nachhaltig auf sich aufmerksam gemacht, dass man in Freiburg mit einem Abschied im Sommer rechnet. Am Samstag allerdings unterlief ihm bei Gnabrys Treffer der entscheidende Fehler. Auch das passte also zu einem Tag, an dem die Geschichten am Ende fast alle nach bayerischem Drehbuch liefen.