Kurz vor Ablauf der letzten Bieterrunde hat Jim Ratcliffe, Gründer des Chemiekonzerns Ineos , ein überraschend hohes Gebot für den Fußballklub Chelsea F.C. abgegeben, um den Klub in „britischer Hand“ zu halten. Ratcliffe will insgesamt 4,25 Milliarden Pfund (gut 5 Milliarden Euro) zahlen. Davon sollen 2,5 Milliarden Pfund an einen gemeinnützigen Trust fließen, der Opfer des Kriegs in der Ukraine unterstützt; und 1,75 Milliarden Pfund sollen in die Entwicklung des Fußballklubs in den nächsten zehn Jahren gesteckt werden.
Der 69 Jahre alte Selfmade-Milliardär, der mit Geschäften in der petrochemischen Industrie reich geworden ist, aber seit einiger Zeit auch in Sportunternehmen investiert, präsentierte sein spätes Gebot als patriotische Tat. „Dies ist ein britisches Gebot für einen britischen Klub“, heißt es in Ratcliffes Statement zu dem Gebot. „Wir glauben, dass ein Klub größer ist als seine Eigentümer, die temporäre Hüter einer großen Tradition sind, mit Verantwortung für die Fans und die Gemeinschaft.“ Er versucht damit offenkundig, die britische Öffentlichkeit auf seine Seite zu ziehen. Letztlich muss die Londoner Regierung über den Verkauf entscheiden.
Ist Ratcliffe zu spät dran?
Der russisch-israelische Milliardär Roman Abramowitsch, der Chelsea 2003 erworben hat, steht auf der Sanktionsliste als „Pro-Putin-Oligarch“; seine Vermögenswerte auf der Insel sind eingefroren. Daher ist er gezwungen, den Premier-League-Verein zu verkaufen. Er hat unter Druck angekündigt, den „Nettoerlös“ des Verkaufs Opfern des Ukraine-Kriegs zugutekommen zu lassen. Der Verein hat etwa 1,5 Milliarden Pfund Schulden bei einer Abramowitsch-Gesellschaft.
Ineos ist einer der wichtigsten Sponsoren des Mercedes-Formel 1-Teams und hält ein Drittel der Anteile. Die übrigen liegen zu ebenfalls jeweils einem Drittel bei Mercedes und Teamchef Toto Wolff.
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Bevor Ratcliffe in letzter Minute ins Rennen um Chelsea einstieg, galt das amerikanische Bieterteam um den Finanzier Todd Boehly, Miteigentümer des Baseballteams Los Angeles Dogders, als Favorit für die Übernahme. Die Investmentbank Raine, die den Verkaufsprozess organisiert, hat das Boehly-Konsortium schon zu exklusiven Gesprächen für die Übernahme eingeladen. Hinter der Boehly-Bietergruppe stehen unter anderem auch die amerikanische Privat-Equity-Gruppe Clearlake Capital und der Schweizer Milliardär Hansjörg Wyss.
Über die von ihm gegründete und geführte Holding Eldridge Industries hält Boehly diverse Beteiligungen in der Tech-, Medien-, Finanz- oder auch Musik-Welt. Im Dezember vergangenen Jahres erwarb Eldridge gemeinsam mit dem Verlag von Sony Music etwa die Autorenrechte von US-Rockstar Bruce Springsteen. Zu den Zweitplatzierten im Bieterrennen sollen andere US-Bieter, namentlich die Privat-Equity-Moguln Josh Harris und David Blitzer sowie die Basketball-Vereinseigentümer Stephen Paglioca (Boston Celtics) und Larry Tanenbaum gehören.
Viele Investoren in Premier League
In kaum einer Liga sind ausländische Investoren so präsent wie in der Premier League. Manchester City beispielsweise gehört mehrheitlich einem Scheich aus Abu Dhabi, Stadtkonkurrent Manchester United der amerikanischen Glazer-Familie. Der FC Liverpool wiederum befindet sich über die Fenway Sports Group in Händen des US-Milliardärs John Henry. Erst vor einigen Monaten hatte der Verkauf von Newcastle United an ein Konsortium rund um den saudischen Staatsfonds für Aufsehen gesorgt.
Für Ratcliffe wäre Chelsea nicht das erste Sport-Engagement: Zu seinen Sportinvestments zählen ein Fünfjahres-Sponsoringvertrag mit Mercedes Formel-1-Rennteam, an dem Ineos zudem ein Drittel der Anteile hält, das britische Radsportteam Ineos Grenadiers sowie die Fußballvereine OGC Nizza und Lausanne.
Der eher öffentlichkeitsscheue Chemieingenieur aus Manchester, Sohn eines Tischlers, hat nach einer steilen Karriere in der Ölindustrie 1998 seinen eigenen petrochemischen Konzern Ineos, einen Zusammenschluss von drei Dutzend Chemieunternehmen, gegründet, der fast zweihundert Werke in zwanzig Ländern betreibt, darunter auch in Deutschland. Die Sunday Times führte ihn 2018 an der Spitze in ihrer „Rich List“ mit einem Vermögen von 21 Milliarden Pfund. Nach diesem Höhenflug ging es indes bergab. In der neuesten Reichenliste steht Ratcliffe mit 6,3 Milliarden Pfund auf Platz 25. Zu seinen neuesten Projekten zählt, ein neues Modell des legendären Land Rover Defender zu bauen.