Seinen Führungsauftrag in der deutschen U-21-Nationalmannschaft hat Jonathan Burkardt mit derselben unaufgeregten Selbstverständlichkeit angenommen wie seine berufliche Mission als verlässlicher Torschütze beim 1. FSV Mainz 05. „Die Kapitänsbinde hat Jonny gutgetan“, sagt dessen Verbandstrainer Antonio Di Salvo über den frühreifen Hessen, der dank seines Talents die Freude am Fußballspiel beim SV Darmstadt 98 entdeckt und seit 2014 beim rheinhessischen Bundesligaklub von Jahr zu Jahr effektiver ausgelebt hat.
Einer wie er, der mit sonorer Stimme und innerlich ausgependelt über sich und seine Aufträge oder Fähigkeiten spricht, hat sich vom Rampenlicht, in dem er Woche für Woche steht, noch nie blenden lassen. Ob als U-21-Europameister 2021, ob als verlässlicher Trefferlieferant seines Vereins mit elf Toren in der abgelaufenen Saison, ob als Anführer der aktuellen U-21-Auswahl des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), ob als hoch gehandelter Kandidat in spe für die A-Nationalmannschaft: Burkardt geht seinen Weg unbeirrt und frei von Eitelkeiten.
Erfolgsgarant in der EM-Qualifikation
So auch bei den beiden jüngsten Siegen der ältesten Jahrgangsmannschaft des DFB, also beim 4:1 in Osnabrück über Ungarn, zu dem er einen Treffer beisteuerte, und beim 2:1 in Lodz am frühen Dienstagabend, als sein 17 Jahre alter Dortmunder Sturmkollege Youssoufa Moukoko dank seiner beiden kurz entschlossen erzielten Treffer im Blickpunkt des Interesses stand.
Burkardt spielte beide Male von Anfang bis Ende durch und war ein Garant dafür, dass sich Di Salvos Team schon am vorletzten Spieltag für die EM-Endrunde 2023 in Georgien und Rumänien qualifizieren konnte. „Als gestandener Spieler und als Kapitän kann er mehr Einfluss nehmen, und das fordert er auch ein“, sagt sein Verbandstrainer über den elfmaligen Torschützen der U 21, der, wenn der zentrale Angreifer Moukoko dabei ist, eher als hängende Spitze oder als Rechtsaußen umtriebig unterwegs ist.
Di Salvo, als Nachfolger des Kommunikationsprofis Stefan Kuntz ähnlich wie sein Musterschüler Burkardt nicht zu flotten Sprüchen neigend, weiß, dass sein Anführer „mit seinen Leistungen auf sich aufmerksam gemacht hat“ und glaubt „schon, dass es da Überlegungen gibt“, einen wie den 1,81 Meter langen Mainzer Sprinter, Zweikämpfer und Vollstrecker zur A-Mannschaft zu befördern.
Selbst dann müsste Di Salvo vermutlich nicht auf Burkardt verzichten, wenn im kommenden Sommer die U-21-Europameisterschaftsendrunde bevorsteht, da das Eliteaufgebot von Bundestrainer Hansi Flick erst 2024 bei der Europameisterschaft im eigenen Land wieder bei einem großen Turnier gefordert ist.
„Die Jungs mitziehen und vorangehen“
Burkardt selbst, stets im Hier und Jetzt verankert, sah in Osnabrück Teil eins der aktuellen U-21-Mission als rundum gelungen an. „Wir haben die erste Etappe sehr souverän geschafft“, sagte er nach der Qualifikation für die EM-Endrunde 2023. Auch auf seine ersten Erfahrungen als erkennbarer Leader seiner Mannschaft war er ein wenig stolz. „Ich glaube, dass ich die Jungs mitziehen und vorangehen kann“, definierte er seinen natürlichen Führungsanspruch als Jungmann mit der Binde.
Wie er sich nach seinem Elfmetertor in Osnabrück zum 2:0 das Trikot eines schmerzlich vermissten Kollegen schnappte und den Zuschauern damit demonstrativ sein und der Mannschaft Mitgefühl mit dem nach einem Achillessehnenriss monatelang fehlenden Bremer Manuel Mbom offenbarte, war eine liebenswerte Geste des Zusammengehörigkeitsgefühls. „Er ist ein Supertyp, den wir alle sehr schätzen“, sagte Burkardt über den Außenverteidiger des SV Werder.
Lob von Herrmann Gerland
In eigener Sache hat der Mainzer Mittelstürmer seine etwas andere Rolle im Verbandstrikot ohne zu murren angenommen. „Ich spiele das, was mir der Trainer zuteilt. Das macht mir Spaß.“ Und danach sah es auch aus, wenn Jonathan Burkardt die Offensivaktionen mit seinen Tiefenläufen initiierte oder in der Defensive mit seiner Zweikampfstärke gegebenenfalls aushalf. Hermann Gerland, jahrelang Juniorencheftrainer oder Cheftrainerassistent beim FC Bayern München und nun ein wichtiger Helfer in Di Salvos Trainerteam, sagt über Burkardt, der liebend gern noch einmal U-21-Europameister werden möchte: „Der ist einfach schlau, fußballschlau.“
Und weil er so schlau ist, kann sich der umworbene Jungprofi vorstellen, noch etwas länger bei den Mainzern zu bleiben, um dort weiter zu reifen. Jonathan Burkardt fühlt sich, wie er in einem Interview gegenüber dem Fernsehsender Sky sagte, „megawohl“ bei den Nullfünfern. „Ich habe gerade einen Supertrainer – Bo Svensson – und viel Spielpraxis bekommen. Das weiß ich sehr zu schätzen.“ Zwar strebe jeder Spieler „danach, so hoch zu kommen wie möglich“, doch „man muss sich auch im Klaren darüber sein, was man gerade hat“. Und damit ist dieser zu vorlauten Äußerungen nicht neigende Realo mit traumhaften Perspektiven derzeit „sehr zufrieden“.