Es dauerte ein wenig, dann war Jürgen Klopp bei seinem liebsten Ärgernis angelangt. Sein FC Liverpool gewann am Mittwochabend das Halbfinal-Hinspiel der Champions League mit 2:0 Toren gegen den FC Villarreal. Damit machte es der englische Klub besser als Juventus Turin und der FC Bayern, die letztlich am spanischen Außenseiter gescheitert waren in den Runden der diesjährigen Königsklassen-Kampagne. Liverpool muss am Dienstag (21.00 Uhr im F.A.Z.-Liveticker zur Champions League und bei Prime Video) noch im Rückspiel bestehen, die Chancen stehen ganz gut.
Darüber freute sich der deutsche Trainer. Der Einzug ins Finale am 28. Mai ist nahe. Zwei Wochen zuvor steht Liverpool im Endspiel des englischen Pokalwettbewerbs. Den Ligapokal haben die „Reds“ schon gewonnen. Auch in der Premier League haben sie bei einem Punkt Rückstand auf Manchester City, das nach dem 4:3-Spektakel gegen Real Madrid auch im finalen Spiel der Champions League der Gegner sein könnte, noch die Aussicht auf den Titel. Macht unter dem Strich vier mögliche Triumphe. Das wäre das „Quadrupel“, und seit einiger Zeit wird Klopp immer wieder darauf angesprochen.
Er lacht dann zumeist, freut sich über die bisherigen Erfolge, erklärt, wie schwer das alles wird, und lobt seine Mannschaft. Klopp weiß natürlich, dass er das Gerede nicht stoppen kann. Er weiß aber auch, dass durch Gerede noch nie jemand ein Pokal gewonnen hat. Also nutzt er die Gelegenheit, um zumindest lautstark auf eine aus seiner Sicht schreiende Ungerechtigkeit hinzuweisen. Dass ein Klub, der in seinen Wettbewerben weit kommt, viele Spiele hat, ist eine logische Folge. Das kann ein Klopp nicht ändern. Was ihn aber enorm ärgert, sind die Spieltermine in der heimischen Premier League.
„Das ist eine Drecksanstoßzeit“
Nach dem Champions-League-Spiel am Mittwochabend ist Liverpool schon wieder am Samstag um 12.30 Uhr Ortszeit bei Newcastle United gefordert. Es hätte andere Optionen gegeben; es sind auch Partien um 15.00 und eine um 17.30 Uhr angesetzt. Dazu wird in England in der Regel am Sonntag um 14.00 und um 16.30 Uhr gespielt, was aber genau wie eine Ansetzung am Montag um 20.00 Uhr diesmal für Liverpool keine Option gewesen wäre, weil es am Dienstag schon in Villarreal weitergeht. Doch einen späteren Termin am Samstag und nicht schon zur Mittagszeit wäre Klopp sehr gelegen gekommen.
Es ist nicht das erste Mal, dass Liverpool solch eine Ansetzung passiert. Und es ist nicht das erste Mal, dass Klopp sich beschwert. Der Hintergrund ist eindeutig: Die Rechteinhaber des Fernsehens, die die Premier League zur reichsten Fußballliga der Welt machen – und damit Liverpool helfen, sich einen exquisiten Kader zu leisten, der auch international erfolgreich ist –, bestimmen die Termine. Für ihr Geld wollen sie die Zugnummern für die Zuschauer möglichst prominent bei sich präsentieren. Klopp fordert, die TV-Verträge der „Realität anzupassen. Die Fernsehanstalten müssen darüber reden“.
Schon im Vorfeld nannte Klopp den Termin des Newcastle-Spiels eine „Drecksanstoßzeit“, weil seine Spieler in einem ungesunden Rhythmus spielen: abends gegen Villarreal, mittags gegen Newcastle, dann wieder abends in Villarreal. „Wir wollen alle Spiele spielen, die anstehen, kein Problem. Aber es muss ja nicht sein, dass sie uns samstags 12:30 Uhr spielen lassen und dann gucken, wie’s läuft – aus keinem Grund. Das werde ich nie verstehen.“ Dabei kennt Klopp die Hintergründe, zumal in England eine Sonderregel greift, die „Blackout Rule“, durch die Liveübertragungen am Samstag zwischen 14.45 und 17.15 Uhr untersagt sind, um Fans ins Stadion zu locken und den Amateurfußball zu schützen.
Da diejenigen, die zahlen, auch mitreden wollen, haben die TV-Anstalten ein entscheidendes Wort bei der Spielplangestaltung. Sie wollen Liverpool, Manchester City und all die großen Namen, für die die Zuschauer ihr Abo abschließen, zeigen. Das geht aber nicht samstagnachmittags. Am kommenden Wochenende ist City im Abendspiel um 17.30 Uhr an der Reihe, dementsprechend Liverpool früh. Aufgehoben wurde die Regel, die es seit den 1960er Jahren gibt nur, als keine Zuschauer während der Corona-Pandemie in Stadion konnten. Längst sind die wieder da. Und die Blackout-Regel auch. Immerhin soll von kommender Saison an das Mittagsspiel auf den Abend verschoben werden.
Geld schlägt Gesundheit – und Klopp ärgert sich, auch in der Stunde des Triumphs. „Wenn ich die Kollegen von BT Sports (Rechteinhaber der Premier League/d.Red.) hier sitzen sehe und wie sie da reden: ‚Und am Samstag um 12.30 Uhr Newcastle gegen Liverpool‘, könnte ich gerade ins Studio gehen und ihnen allen eine schmieren“, sagte ein aufgebrachter Klopp bei DAZN. „Es ist einfach so verrückt, dass wir in was weiß ich wie vielen Stunden schon wieder dorthin müssen. Und zwei Tage später müssen wir schon wieder nach Villarreal.“ Er könne daher überhaupt nicht über irgendwelche Titel nachdenken.
Nicht nachdenken, sondern knacken war die Aufgabe Liverpools am Mittwochabend. Es dauerte, bis die spanische Defensive, an der der FC Bayern gescheitert war, überwunden war. Nach der Halbzeit landete eine abgefälschte Flanke von Jordan Henderson im Tor (53. Minute), dann erspähte Sadio Mané eine Lücke und traf zum 2:0 (55.). Klopp war begeistert: „Wir haben 95 Minuten lang ein richtig gutes Spiel gemacht. Es waren super Tore, eine Spitzenklasse-Leistung.“ Aber es „ist erst Halbzeit. Es gibt noch 90 Minuten. Es wird eine komplett andere Atmosphäre sein. Wir müssen sicherstellen, dass wir bereit dafür sind.“ Erstmal aber geht es nach Newcastle. Zur ungeliebten Mittagszeit.