Früh am Morgen kam eine Botschaft über die sozialen Medien, die alle Außenstehenden, die mit ihm gebangt hatten, beruhigen sollte: Sebastian Rode ist wohlauf, es geht ihm den Umständen entsprechend und er konnte, was ihm nicht ganz unwichtig war, wie er auf Fotos erkennen ließ, in sämtliche Feierlichkeiten, bei der die Frankfurter bis zum Sonnenaufgang ihren Triumph bejubelten und begossen, später nahezu uneingeschränkt mitmischen.
Das hatte am Mittwochabend zunächst ganz anders ausgesehen. Rode war noch im Stadion ausgiebig medizinisch von den Team-Ärzten der Eintracht behandelt worden. Eine Narbe mit einem Dutzend Stiche, die sich senkrecht über seine Stirn zog, zeugte von der Schwere der Verletzung, die er sich in der fünften Minute der bis zum Schluss heftig umkämpften Begegnung mit den Glasgow Rangers zugezogen hatte.
„Hauptsache, das Ding geholt! Alles andere ist egal“, lautete Rodes Quintessenz des Finales in der Europa League, in der sich die Frankfurter auch durchsetzten, weil sie bis an die Grenze der körperlichen Belastbarkeit gegangen waren.
John Lundstram hatte Rode bei einer regelwidrigen Attacke im Duell um den Ball im Gesicht getroffen. Der Hesse musste blutüberströmt auf dem Feld behandelt werden. „Ich war immer bei Bewusstsein, wusste, dass ich weiterspielen musste – und dachte sofort an Bastian Schweinsteiger 2014.“ Der frühere Bayern-Kollege kämpfte sich bei der WM ebenfalls mit einer klaffenden Kopfwunde durch das Finale, das die Nationalmannschaft in Rio gewann.
Nun erlebte Rode sein Karriere-Highlight gleichsam als Schmerzensmann. Es sei ein „Schockmoment“ gewesen, zu sehen, wie der Schotte mit den Stollen voran Rode niedergestreckt habe, sagte Trainer Oliver Glasner, während der in vielen Szenen unangemessen großzügig leitende Referee Slavko Vincic keinen Grund sah, eine Verwarnung oder einen Platzverweis auszusprechen, der durchaus im Rahmen des Möglichen gelegen hätte.
„Der Fuß war sehr hoch“, merkte Glasner zurecht an, Rode schaue durch den Tritt „gezeichnet aus“. Wobei der Coach mit Blick auf das ausgiebige Feierprogramm, das am Donnerstag nach der Landung in der Heimat seinen weiteren Lauf nimmt, wenig Hoffnung machte, dass Rode so schnell wieder taufrisch dreinblickt: „Ich nehme an, dass es erstmal eher noch schlimmer aussehen wird.“
Rode bekam zunächst einen Turban aus Mullbinden und Verbänden verpasst, mit dem die Wunde notgedrungen versorgt wurde. Er hielt zur 90. Minute durch, eher er vor der Verlängerung für Kristijan Jakic Platz machte. Glasner sagte, dass er Dankbarkeit seinen Spielern gegenüber verspüre, die sich einmal mehr von ihrer widerstandsfähigen Seite gezeigt hatten.
„Wir haben immer an uns geglaubt. Vom ersten Tag an. So haben wir einen Spirit entwickelt, der uns bis zum Schluss getragen hat“, betonte der 47-Jährige. Er sei „sehr stolz“ auf die Gruppe. „Jeder hat sein Ego hintenangestellt und alles in den Dienst des Teams gestellt.“
Bilder vom Finale
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Die weiße Bestie krallt sich den Pokal
Mit seinem Behauptungswillen avancierte der 31 Jahre alte Rode, dessen Karriere nach Stationen in München und Borussia Dortmund wegen mehrere Knieoperationen bereits vor dem Aus stand, ehe er bei der Rückkehr Frankfurt alle eines Skeptiker, die seinen Gesundheitszustand für ein Transferrisiko hielten, eines Besseren belehrte.
Im Estadio Ramón Sánchez Pizjuán flossen auch bei ihm Tränen der Freude, als er die mächtige Trophäe vor der Fankurve in den Nachthimmel stemmte und die Anhänger immer wieder seinen Namen skandierten. Rode sagte am Tag darauf mit einem großen Pflaster zwischen dem Haaransatz, er werde „nie vergessen, was hier passiert ist“. Damit befindet er sich in bester Gesellschaft.