Es ist wieder einmal eine kuriose Situation, mit der die von so vielen Widrigkeiten und Wendungen gebeutelte Profimannschaft des FC Schalke 04 in dieser Woche fertigwerden muss. Die Spieler werden die letzte Phase der Saison mit einem neuen Cheftrainer bestreiten, der jedoch erst mal aufgrund einer Corona-Infektion abwesend ist.
Und ganz so neu ist Mike Büskens ja auch nicht. Die 53 Jahre alte Klubikone zählte bisher zum Assistentenkreis des am Sonntag entlassenen Dimitrios Grammozis, was bizarre Folgen hat. Eigentlich wollten die Verantwortlichen mit dem Trainerwechsel neue „Impulse“ setzen, um doch noch den zuletzt immer unwahrscheinlicher gewordenen Aufstieg zu schaffen, wie Sportdirektor Rouven Schröder am Dienstagvormittag erklärte. Doch nun ist nicht nur Grammozis weg, sondern auch noch der neue Trainer und der Assistent, der Büskens bis Sonntag war.
Aus der Quarantäne versprach Büskens, er werde alles daransetzen, dass seine Mannschaft von nun an „als eingeschworene Gemeinschaft“ agiert, als Team, das endlich sein Potential entfaltet, „fußballerisch wie charakterlich“. Irgendwie wirkte diese neue Wendung in einer ereignisreichen Zeit ziemlich improvisiert, auch wenn Schröder sich alle Mühe gab, Büskens’ Beförderung als wohldurchdachte Folge eines „Entwicklungsprozesses“ darzustellen. Der Trainerwechsel, der nach einer wilden 3:4-Niederlage gegen den Abstiegskandidaten Hansa Rostock vorgenommen wurde, sei „keine Bauchentscheidung“ und auch keine Verzweiflungstat, versicherte der Sportdirektor.
Der Gedanke, dass der finanziell angeschlagene Klub nach dem Ende der lukrativen Partnerschaft mit dem russischen Staatskonzern Gazprom zum Aufstieg gezwungen sein könnte, sei falsch. Es gibt einen Dreijahresplan, und wenn ein Klub so ein Konzept „aufstellt und im ersten Jahr aufsteigen muss, würde irgendwas nicht passen“, sagte Schröder, der nach eigenen Angaben keine Versuche unternommen hat, einen externen Trainer einzustellen. Er sei schlicht überzeugt, „dass dieser Weg der richtige ist, weil wir einfach die Kraft von Mike spüren und weil er die Ecken und Kanten sieht“.
Ein grundlegender Einschnitt, in dessen Folge die Mannschaft mit ganz neuen Ideen ins Frühjahr geht, ist aber eher nicht zu erwarten. Büskens trägt viel Mitverantwortung für die Ergebnisse, die in der Rückrunde immer unbefriedigender wurden. Schröder gab sich deshalb Mühe, zu erklären, warum der Trainerwechsel trotzdem den erhofften Effekt haben wird: Als Cheftrainer sei Büskens „mit seiner Sprache deutlich näher bei der Mannschaft“, auch was die „Gestik und Mimik“ betreffe, zudem liege „der Fokus der Mannschaft deutlich mehr auf dem Cheftrainer“, erklärte er. „Das ist die Rollenverteilung, der Cheftrainer ist Cheftrainer, hat sein Hoheitsgebiet“, der Assistent sei hingegen „Zulieferer, aber nicht der Umsetzer“.
Wie genau Büskens als Umsetzer jene Probleme in den Griff bekommen soll, die Grammozis nicht lösen konnte, blieb aber vorerst unklar. Dem nun entlassenen Trainer war vorgeworfen worden, nicht flexibel und kreativ genug gearbeitet zu haben. Im Rückrundenverlauf hatte er keine funktionierenden Maßnahmen gegen Schwächen in der Defensive gefunden, außerdem wurde sein Angriffsplan als zu eindimensional wahrgenommen: Ball in den Strafraum – Simon Terodde – Tor.
Da Büskens weder als großer Innovator noch als Taktik-Nerd aufgefallen ist, dürfte sich der Haupteffekt seiner Beförderung jedoch eher auf emotionaler Ebene zeigen. So ein Trainerwechsel, „kann keinen Spieler kaltlassen“, sagte Schröder, „von daher sind wir alle in der Pflicht, besser Fußball zu spielen. Es müssen sich alle steigern, keine Frage.“ Denn noch ist die Ausgangslage trotz der sechs Punkte Rückstand auf einen Aufstiegsplatz keinesfalls hoffnungslos.
Abgesehen vom Hamburger SV, spielt Schalke noch gegen alle anderen Teams aus dem oberen Tabellendrittel, mit einer Erfolgsserie im passenden Moment ist noch viel möglich. Und dennoch macht der Trainerwechsel deutlich, dass jene Kritiker, die schon im vergangenen Jahr an Grammozis’ Eignung für das Projekt Wiederaufstieg zweifelten, richtiglagen. Angeblich war nicht einmal Schröder vollständig von Grammozis überzeugt, jedenfalls beschäftigte er sich in seinen ersten Wochen auf Schalke mit der Frage, ob es nicht eine bessere Besetzung des Cheftrainerpostens gibt als den vor einem Jahr vom Sportvorstand Peter Knäbel eingestellten Grammozis. Es soll über Leute wie Thomas Letsch (Vitesse Arnheim), Bartosch Gaul (Mainz 05 U 23) und Kosta Runjaic (Pogon Stettin) diskutiert worden sein, die nun alle sehr erfolgreich in ihren Klubs arbeiten und jetzt nicht spontan zu haben sind.
Schröder versicherte am Dienstag, dass er damals nicht von seinem Chef Knäbel überstimmt worden sei, sondern dass alle Entscheidungen gemeinsam getroffen werden. Aber bei der Suche nach dem Trainer für die kommende Saison, wird sein Wort womöglich mehr Gewicht haben als im vergangenen Frühjahr.