Es war eines der Spiele, bei denen man denkt, dass der Schiedsrichter noch eine Ewigkeit spielen lassen könnte, es würden trotzdem keine Tore fallen. Der FC Barcelona versuchte es aus allen Lagen, doch der FC Sevilla stellte mit seinen Spielern immer wieder viele störende Beine vor den Ball. Bis in der 72. Minute Mittelfeldspieler Pedri 18 Meter vor dem Tor zum Zug kam: Er legte sich den Ball auf den linken Fuß und täuschte einen Schuss an.
Zwei Spieler von Sevilla rutschten ins Leere. Den Ball wieder auf dem rechten Fuß habend täuschte Pedri noch einen Schuss an und schaffte damit erst die Lücke. Er lief noch einen Meter weiter nach rechts und zog dann flach und trocken ab. Das umjubelte 1:0 war der Endstand, Barcelona ist mit seinem 16. Saisonsieg auf den zweiten Platz in La Liga geklettert. Spitzenreiter Real Madrid hat zwölf Punkte Vorsprung.
Am Sonntagabend wehte sogar so etwas wie ein Hauch von Iniesta durchs Camp Nou. An die Anfänge des jungen Manchego dachten zumindest viele, die Pedri zugesehen hatten. „Wenn der Ball den Spielern am Fuß verbrennt und keine Tore fallen, hat Barça jetzt neue Stiefel, an denen es sich orientieren kann, einen neuen Spieler, der Orientierung bietet, einen neuen besonderen Jungen, den man um einen Geniestreich bitten kann, in der Hoffnung, dass er Unmögliches wahrmacht“ – so schwärmte die katalanische Tageszeitung La Vanguardia über Pedri González López nach dem Spiel, schrieb von einem neuen Stein, auf dem das neue Fußballprojekt von Trainer Xavi aufgebaut werden kann und beruhigte gleichzeitig die Fans: „Er steht bis 2026 unter Vertrag, die Ablösesumme beträgt eine Milliarde Euro.“
Vor 19 Jahren kam Pedri auf Teneriffa auf die Welt. Die Eltern betreiben dort das nach dem Vater benannte Restaurant „Tasca Fernando“, was mit „Fernandos Kneipe“ übersetzt werden könnte. Fotos zeigen den Spieler vor seinem Wechsel nach Barcelona auf einem Barhocker, daneben der stolze Vater, der mit breiter Brust den Arm um den schmächtigen Sohn legt. Die Mutter mit Kochhaube und Schürze gibt ihrem Buben einen Kuss. Auf der Karte bodenständige Kost der Kanarischen Inseln, Fisch mit Pommes Frites, Linseneintopf mit frittiertem Weißbrot und Ei oder Fleischklöpse mit Reis.
„Mehr Tore machen“
Im Juli 2019 bekam Pedri im Alter von 16 Jahren bei UD Las Palmas auf der Nachbarinsel Gran Canaria seinen ersten Profivertrag. Aber nur zwei Monate später verpflichtete der FC Barcelona das junge Talent, ließ Pedri dann noch eine Saison in Las Palmas in der Zweiten Liga spielen. Immerhin absolvierte er dort 36 Spiele, kam aber nicht über vier Tore hinaus. „Seine größte Qualität ist, dass er seine Mitspieler besser macht“, sagte sein Trainer aus Las Palmas, Pepe Mel, über ihn. Außerdem ackere er beim Ballverlust der eigenen Mannschaft auf dem Rasen unglaublich viel. Einen Ratschlag seines Trainers hat Pedri inzwischen aber berücksichtigt: „Er muss mehr Tore machen, da muss er wirklich besser werden.“
Gibt erfolgreich die Marschrichtung vor: Hernandez Trainer Xavi
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Bild: Getty
Auch heute ist Barças große Nachwuchshoffnung kein Torjäger. Bislang hat er fünf Mal getroffen. Er spielt im offensiven Mittelfeld, vor Kapitän Busquets, der ihm den Rücken freihält. Ein wenig erinnert er mit dieser Position auf dem Feld und seiner Spielweise an Weltmeister Iniesta, der nie besonders viele, aber doch entscheidende Tore geschossen hat. So wie Pedri gegen Sevilla. Oder wie gegen Galatasaray im Achtelfinale der Europa League, als sein Team schon mit einem Tor hinten lag und er dann vor dem Strafraum zwei Gegenspieler aussteigen ließ und überlegt ins Tor zielte.
Die Tore ähneln sich sehr, sagte Pedri auch nach dem Spiel gegen Sevilla. „Immer wenn ich ein Bein sehe, versuche ich ein neues Dribbling, bis ich schießen kann.“ Barças Trainer Xavi Hernández fand: „Er ist ein Spieler der Superlative. Solche Spieler gibt es nur sehr wenige. Ich sage ihm immer, er soll mehr schießen. Ihm ist ein Wahnsinnstor gelungen, wegen der Art, wie er die Zeit und den Raum kontrolliert.“ Worte wie ein Ritterschlag vom Kapitän und Regisseur der spanischen Weltmeistermannschaft von 2010.
Nicht nur wegen Pedri wird der FC Barcelona am Donnerstag (21.00 Uhr im F.A.Z.-Liveticker zur Europa League und bei RTL) im Viertelfinale der Europa League ein vielleicht noch härterer Brocken für Eintracht Frankfurt als bei der Auslosung erwartet. Barça sei gegenwärtig die Mannschaft in Europa mit der besten Form, sagte Sevillas Coach Julen Lopetegui am vergangenen Sonntag nach dem Spiel. Seit dem 20. Januar hat Barça kein Spiel mehr verloren und seither zehn Mal gewonnen sowie drei Mal unentschieden gespielt.
Der Tabellenzweite schoss 32 Tore bei zehn Gegentreffern. Mit Sevilla hat Xavis Mannschaft die beste Defensive der Liga geknackt, im Duell mit Real Madrid, das die zweitbeste Defensive der Liga stellt, gelangen ihr vor der Länderspielpause sogar vier Treffer. Inzwischen nehmen die Fans es im Camp Nou sogar hin, dass Barça trotzdem weit hinter Tabellenführer Real Madrid liegt. Die Aufholjagd setzte nach einem katastrophalen Saisonstart ein bisschen zu spät ein. Doch inzwischen sprechen sie von einer Übergangssaison. In der Europa League sehen sie die Möglichkeit für den Startschuss in eine neue erfolgreiche Epoche.