Der frühere niederländische Fußball-Nationalspieler Ronald de Boer hat mit Aussagen über gestorbene ausländische Arbeiter im WM-Gastgeberland Qatar für Aufregung gesorgt. „Da steht ein Wort gegen das andere. Es wird alles in einen Topf geworfen. Von der Lehrerin über die Reinigungskraft bis hin zum Bauarbeiter. Das ist der Stoff, aus dem diese Zahlen gemacht sind“, sagte der 51-Jährige während einer Sendung des niederländischen Senders RTL. Er bezog sich auf Medienberichte über 6500 tote Arbeiter auf den Baustellen in Qatar im vergangenen Jahrzehnt.

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„Das ist wirklich völliger Blödsinn. Sie haben alle Menschen aus diesen zehn Jahren in einen Topf geworfen. Das wird den Menschen nicht gerecht“, sagte der Niederländer. „Es sterben Menschen. Egal wie traurig. Aber sie geben einem das Gefühl, dass die Leute von der Hitze des Stadions erschlagen werden.“
Die Zahl von 6500 gestorbenen Arbeitern aus Südostasien stammt aus der Berichterstattung der britischen Zeitung „Guardian“. Die Regierung Qatars verwies dabei darauf, dass die Sterberate angesichts von mehr als 1,4 Millionen Menschen aus der Region im Land im zu erwartenden Bereich liege. Das WM-Organisationskomitee argumentiert, dass Baustellen für die WM von anderen in dem Emirat getrennt beurteilt werden müssten. De Boer war im Juni 2021 vom Organisationskomitee zum WM-Botschafter gekürt worden.
Der WM-Gastgeber steht praktisch seit der Vergabe Ende 2010 wegen der Menschenrechtslage und der Bedingungen für ausländische Arbeiter in der Kritik. Im Mittelpunkt stand und steht das in Qatar offiziell abgeschaffte sogenannte Kafala-System, das Arbeitnehmern aus dem Ausland praktisch alle Rechte nimmt. Die Regierung verweist immer wieder auf zahlreiche Reformen – insbesondere bei den Arbeitnehmerrechten. Verstöße gegen die neuen Gesetze würden rigoros verfolgt, heißt es aus dem Emirat.
Homosexualität gesetzlich verboten
Ein qatarischer Sicherheitsverantwortlicher sprach sich derweil sich gegen das Zeigen von Regenbogenfahnen bei der WM aus – weil er mögliche Angriffe befürchtet. Falls ein Fan „die Regenbogenfahne zeigt, und ich sie ihm wegnehme, geschieht dies nicht, weil ich sie wirklich nehmen will, um ihn zu beleidigen, sondern um ihn zu schützen“, sagte Generalmajor Abdulasis Abdullah Al Ansari der Nachrichtenagentur AP. „Weil wenn nicht ich es bin, könnte ihn jemand attackieren. Ich kann nicht für das Verhalten aller Menschen garantieren. Und ich werde ihm sagen: ‚Bitte, es gibt keinen Grund, die Fahne hier zu zeigen‘.“
Al Ansari ist unter anderem der Vorsitzende des Nationalen Terrorismusbekämpfungs-Komitees im qatarischen Innenministerium. Die Regenbogenfahne steht weltweit als Symbol für die Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt. Der WM-Gastgeber Qatar ist nicht nur wegen der Menschenrechtslage und der Bedingungen für ausländische Arbeiter in der Kritik internationaler Organisationen. Amnesty International hatte zuletzt geurteilt, dass Frauen sowie lesbische, schwule, bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Menschen (LGBTI+) „sowohl durch Gesetze als auch im täglichen Leben weiterhin diskriminiert“ würden. Homosexualität ist in Qatar gesetzlich verboten.
FIFA-Präsident Gianni Infantino sagte kürzlich: „Jeder wird sehen, dass jeder hier in Qatar willkommen ist, auch wenn wir über LGBTQ+ sprechen.“ Die FIFA hatte in der Vergangenheit betont, dass Regenbogenfahnen im Stadion erlaubt seien. Die qatarischen WM-Organisatoren erklärten, dass sie Richtlinien des Weltverbands diesbezüglich respektieren würden. Al Ansari sagte, dass er LGBTI+-Fans nicht empfehle, dass sie Qatar fernbleiben sollen. „Bucht ein Zimmer zusammen, schlaft zusammen, das ist etwas, das uns nichts angeht“, sagte er. Wer seine Ansichten zur LGBTI-Situation demonstrieren wolle, solle das in einer Gesellschaft tun, „in der das akzeptiert wird“.