Ärger über Fans in Barcelona : „Es ist empörend und beschämend“
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Nicht nur Barcelonas Ronald Araujo erlebte einen Abend zum Vergessen. Bild: EPA
Der FC Barcelona leidet nicht nur unter dem Aus in der Europa League gegen die Eintracht. Wie konnten nur 30.000 Frankfurter Fans ins Stadion kommen? Der Barça-Präsident spricht von einer „Schande“.
Das letzte Spiel in dieser Europa-League-Saison wird noch lange das erste sein, an das sich viele beim FC Barcelona erinnern. Dass der große Klub aus Katalonien im zweitklassigen Wettbewerb mitmacht, ist sowieso schon außergewöhnlich. Dass er im Viertelfinale an Eintracht Frankfurt scheitert, ist noch bemerkenswerter. Und dass Barça dann auch noch ein Auswärtsspiel im eigenen Stadion hat, hätte sich kaum jemand vorstellen können. Denn Barcelona hat sich das Motto „Mehr als ein Klub“ nicht nur auf die Fahnen, sondern auch auf die Sitzschalen geschrieben. Dort saßen allerdings vor allem Frankfurter. Wobei das nicht ganz korrekt ist: Die meiste Zeit standen die Eintracht-Fans.
Rund 30.000 von ihnen hatten sich Eintrittskarten für das größte Stadion Europas besorgt. Insgesamt waren am Donnerstagabend knapp 80.000 Zuschauer dort. Offiziell gingen an die Eintracht nur 5000 Tickets, so wie es die Europäische Fußball-Union als Veranstalter des Wettbewerbs in seinen Regeln vorschreibt. Wie aber kam es nun, dass so viele Frankfurter live im Stadion waren. Vorstandsmitglied Axel Hellmann sagte: „Da trifft den FC Barcelona gar keine Schuld. Unsere Fans sind am kreativsten, sich auf allen Wegen Tickets zu besorgen. Das war so und wird immer so sein.“
Spanische Medien spekulierten am Tag danach, dass viele Tickets für deutsche Zuschauer wohl aus Wiederverkäufen durch Spanier kamen, die nicht unbedingt zum Spiel wollten und ein Geschäft aus der Abgabe ihrer Karten witterten. Dazu dürften die Frankfurter vor Ort alles versucht haben, um bei diesem besonderen Spiel dabei zu sein. Vor Ort war es einfacher, weil anders als beim Online-Kauf aus Deutschland nicht ersichtlich war, wer woher kommt. „Es gibt ein paar negative Stimmen nach dem Motto: Wie kann das sein? Es war so, dass unsere Fans über alle Kanäle Tickets besorgt haben – bis zu dem Moment vor dem Spiel. Das kannst du als Verein nicht erkennen“, sagte Hellmann.
Dennoch ist der Ärger beim FC Barcelona immens – nicht nur wegen des Ausscheidens durch den 3:2-Sieg der Eintracht, sondern vielmehr ob der tausendfachen wie lautstarken Unterstützung der Gäste. Die besonders leidenschaftlichen Anhänger des katalanischen Klubs verließen in der Halbzeit sogar ihre Plätze hinter dem Tor und kamen erst zehn Minuten nach Wiederanpfiff zurück – aus Protest, dass ihr Verein es nicht geschafft hatte, vor allem einheimischen Zuschauern, die den FC Barcelona unterstützten, ins Stadion zu bringen.
Vereinspräsident Joan Laporta bat anschließend um Entschuldigung. „Ich schäme und entschuldige mich. Das wird nie wieder passieren. Wir haben Informationen darüber, was passiert ist“, sagte er in einer Mitteilung auf der Vereinswebsite ohne Details zu nennen. „Es ist empörend und beschämend, eine Schande. Wir werden handeln und das erklären.“ Angesichts des Riesenärgers will der Klub bei internationalen Spielen nur noch personalisierte Tickets verkaufen. Das kündigte Laporta am Freitag im katalanischen Fernsehsender TV3 an. Auch Trainer Xavi war genervt. Dass so viele Frankfurter Fans im Stadion gewesen seien, sei „ein Planungsfehler“, sagte er. „Das ist enttäuschend. Wir möchten wissen, was geschehen ist. Wenn wir zu Hause spielen, kann das nicht passieren.“
Auch die spanische Presse nahm den Klub wegen der Zuschauerverteilung ins Visier. „Es ist absolut unzulässig, egal wie man es betrachtet, dass in einem europäischen Spiel, in dem Barça um einen Platz im Halbfinale spielt, das Camp Nou zu einem Dampfdrucktopf wird – aber für die gegnerische Mannschaft“, schrieb die Zeitung „Sport“. Der Klub und seine Mitglieder müssten ernsthaft in sich gehen. „Was gestern Abend im Stadion passiert ist, darf nie wieder passieren!“ „Marca“ schrieb: „Großer Fehler von Barça, dass es in einem so wichtigen Spiel so viele rivalisierende Fans gab.“
Die Zeitung „AS“ setzte ebenfalls zu harscher Kritik an: „Zu Hause versenkt. Barcelona spielte im eigenen Stadion wie ein Fremder und hat die beste Option vertan, einen Titel zu gewinnen. Sie sind nicht nur sportlich gescheitert, was passieren kann, sondern noch schlimmer war die Scham als Klub, als aus Barças Stadion das Waldstadion wurde, mit mehr Deutschen als Katalanen und dem Gefühl, ein Fremder in der eigenen Heimat zu sein“, schrieb das Blatt am Karfreitag. „Es ist eine historische Situation, in der Barcelona als erster Klub die Hin- und Rückrunde im gegnerischen Feld bestritt.“
Den Frankfurtern war all die Polemik herzlich egal. Sie genossen den Coup ihres Klubs in Katalonien. Zehntausende feierten bis tief in die Nacht in Barcelona, wenn sie nicht schon direkt zurückreisten. Bis kurz vor Mitternacht verweilten die überwiegend in weiß gekleideten Anhänger – die aussahen wie die Anhänger von Barcelonas Erzrivale Real Madrid – im legendären Camp Nou. Danach zogen die meisten Fans wieder in Richtung Innenstadt, wo es schon den ganzen Donnerstag über Gesänge und Feieraktionen gegeben hatte.
Barca hingegen muss nicht nur administrative und emotionale Wunden lecken, sondern auch den sportlichen Schmerz überwinden. Als Absteiger aus der Champions League und abgeschlagen hinter Real in der spanischen Meisterschaft sollte es immerhin in der Europa League zum Titel reichen. Daraus wird nun nichts mehr. Zudem verlor die Mannschaft ihren Jungstar Pedri. Der verletzte sich schwer am linken hinteren Oberschenkel, wie der Klub am Freitag mitteilte. Womöglich fällt das 19 Jahre alte große Talent für den Rest der Saison aus.