DFB-Erfolg gegen Israel : Talentshow ohne Turnierhärte
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Timo Werner (Mitte) und Co.: Freude unter den deutschen Akteuren beim Sieg im Länderspiel gegen Israel Bild: AFP
Im Test gegen Israel lässt Hansi Flick Rückkehrer und Neue für sein WM-Casting ran. Die DFB-Elf zeigt phasenweise einen Anflug von Zauber, wirkt aber auch unbeholfen, wenn es um das Entscheidende geht.
Hellblau war vor dem Anpfiff eine dominante Farbe am Samstagabend. Das Friedenslogo, verschmolzen mit dem Markendesign des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), leuchtete kräftig in der Sinsheimer Arena. In einer gewöhnlichen Welt wäre es einfach der Auftakt in ein WM-Jahr gewesen, aber dieses Testspiel gegen Israel war mehrfach überlagert von Themen ganz anderer Tragweite.
Als die Spieler die Arena betraten, schritten sie an einem blauen Transparent mit der Botschaft „Peace“, und, in kyrillischen Buchstaben, „Mir“ vorbei. Ein riesiges blau-gelbes Herz für die Ukraine wurde in dem Block gezeigt, in dem sonst die Hoffenheimer Fans zu Hause sind. Am ZDF-Mikrophon sprach Bernd Neuendorf, der neue DFB-Präsident, über seine politischen Pläne für die WM in Qatar und darüber, wie erfreulich es vor dem Hintergrund der deutsch-israelischen Geschichte sei, zu einem „friedlichen Fußballspiel“ zusammenkommen zu können.
Schließlich wurde noch der verstorbenen Fußballpersönlichkeiten Egidius Braun, Horst Eckel, Jürgen Grabowski und Hans-Jürgen „Dixie“ Dörner gedacht. Viele Themen und Botschaften, es sind bewegte Zeiten auch für die Nationalspieler, die damit einen Umgang finden müssen.
Sportlich war es ein Bewährungsspiel, in dem Bundestrainer Hansi Flick einigen Rückkehrern und Kräften der zweiten Reihe eine Chance gab. Daraus wurde durchaus ein Abend, der Spaß machte, mit einer deutschen Nationalmannschaft, die engagiert, lustvoll, spielfreudig, zu Werke ging beim 2:0-Sieg, aber in letzter Konsequenz auch ein bisschen unvollkommen.
Über weite Strecken sah es nach Talentshow aus, manchmal auch mit einem Anflug von Zauber, aber noch nicht nach Turnierhärte – was sich vor allem in einer gewissen Unbeholfenheit ausdrückte, aus Überlegenheit etwas Zählbares zu machen gegen ein israelisches Team, dass engagiert Schadensbegrenzung betrieb, aber kein WM-Maßstab war: Entschuldigung, wo ging’s hier noch mal zum Tor?
Standards sorgen für die Tore
Für die Treffer bedurfte es schon ruhender Bälle. Kai Havertz verwertete in der 36. Minute einen Eckball von David Raum, Timo Werner hielt beim 2:0 unmittelbar vor der Pause die Fußspitze in einen Freistoß von Ilkay Gündogan (45.+1). In den zerfahrenen Schlussminuten besaß Thomas Müller die beste Standard-Chance, doch statt eines aufbrandenden Jubels über den Treffer, mit dem Müller mit Uwe Seeler (43 Tore) gleichgezogen wäre, war nur das „Klong“ des Torpfostens zu hören. In der Nachspielzeit dann parierte Kevin Trapp einen Strafstoß von Yonatan Cohen.
Havertz‘ Führungstreffer fiel zu einem Zeitpunkt, als die Wiedersehensfreude des Publikums im vollen Sinsheimer Stadion schon in Verdruss über den Chancenwucher zu kippen drohte, den die deutsche Mannschaft betrieb. Die Frage nach der Verlässlichkeit vor dem Tor wird sich stellen in den nächsten Monaten, und wahrscheinlich schon am Dienstag, wenn in Amsterdam gegen die Niederlande (20.45 Uhr im F.A.Z.-Liveticker zur Fußball-Nationalmannschaft und in der ARD) weitergetestet wird, dann vermutlich mit den verfügbaren Kräften der ersten Reihe.
Von denen waren gegen Israel nur vier dabei: Gündogan, als Kapitän und Kommandogeber im Zentrum, Thilo Kehrer, der Dauerspieler unter Flick, diesmal auf der rechten Abwehrseite, Havertz, in seiner Paraderolle als Juwel des deutschen Fußballs, und Werner, wieder eine ganze Weile als Angreifer von der unglücklichen Gestalt, ehe seine Laufarbeit doch noch belohnt wurde; sein sechster Treffer unter Flick sah verdächtig nach Abseits aus, aber Glück darf man ja auch mal haben.
Von denjenigen, die sich zeigen durften und sollten, gelang das am besten Raum, Jamal Musiala und Nico Schlotterbeck. Raum, der die linke Außenbahn mutig bearbeitete, Musiala, der überall und unberechenbar auftauchte, wo immer es eine Offensivaktion einzuleiten galt, und Schlotterbeck, der bei seinem Debüt den einen oder anderen schnittigen Vertikalball aus dem Abwehrzentrum einstreute – allerdings verursachte er den Strafstoß kurz vor Schluss.
Julian Weigl fügte sich ordentlich wieder ein, ohne zu überwältigen, Julian Draxler verschwand zu oft im Hintergrund, Jonathan Tah war kaum gefragt, bis er zu Beginn der zweiten Hälfte bei einem Schuss des Hoffenheimers Munas Dabbur punktgenau zur Stelle war. Über die Torhüter, Marc-André ter Stegen (erste Hälfte) und Trapp (zweite) ließ sich lange nur sagen, dass sie anwesend waren, bis Trapp Cohens Strafstoß parierte.
Bei Flicks Team war nach der Pause Müller für Gündogan ins Team gekommen, er übernahm die Position in der Offensivreihe von Musiala, der nun etwas mehr aus der Tiefe kam und das ebenfalls exzellent machte. Es folgte die vielleicht schwungvollste Phase, das große Bild des Spiels aber blieb dasselbe, die Deutschen stürmten und drängten, fanden aber nicht zum Ziel.
Nach einer Stunde durften dann noch Anton Stach, der zweite Debütant, und Christian Günter Erfahrung sammeln, und später Leroy Sané und Lukas Nmecha noch ein paar Minuten. Ein Foul an Nmecha führte zum Elfmeter – aber, das passte zu diesem Abend, eben nicht zum Tor.