WM-Aus für Europameister : Auf Italiens Apokalypse folgt das Desaster
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Italien will gar nicht mehr hinschauen: Die Fußball-WM 2022 findet ohne die Squadra Azzurra statt. Bild: AP
Im azurblauen Sommer 2021 staunten noch alle über Italien. Nun verpasst der Europameister schon wieder eine Fußball-WM – und das im Duell mit Nordmazedonien. Der italienische Schmerz ist immens.
Der Stich war kurz, jedoch alles andere als schmerzlos. Als Aleksandar Trajkovski den Ball mit seinem rechten Fuß in der zweiten Minute der Nachspielzeit flach ins Netz jagte, erzielte er nicht nur ein Tor. Der Spieler aus Nordmazedonien traf die stolze Fußballnation Italien so empfindlich, dass sie sich für lange Zeit davon nicht erholen wird. Auch am Morgen danach wird der Albtraum der Squadra Azzurra nicht vorbei sein, denn es ist wahr: Der viermalige Welt- und aktuelle Europameister verpasst nach 2018 schon wieder die Endrunde einer WM; auch in Qatar wird ohne Italien gespielt.
Dabei hatten vor Beginn der europäischen Play-offs, in denen ursprünglich zwölf Mannschaften um drei WM-Tickets spielen sollten, alle über das Nadelöhr gestaunt, das sich bei der Auslosung ergeben hatte. Nach den Halbfinals am Donnerstag lief es eigentlich auf das große Duell zwischen Portugal und Italien hinaus. Es kann nur einen geben. Das gilt noch immer. Doch der eine, der nach Qatar darf, wird, das steht nun schon vor dem Finale am Dienstag fest, nicht Italien sein. Durch den sensationellen 1:0-Sieg in Palermo spielt Nordmazedonien gegen Portugal in Porto um die Reise in die Wüste.
Es wird lange dauern, bis der italienische Schmerz nachlassen wird. „Das ist schwer zu erklären. Wir sind enttäuscht, gebrochen, am Boden zerstört. Es hat wieder ein bisschen was gefehlt. Wir haben seit September Fehler gemacht und nun dafür bezahlt“, sagte Giorgio Chiellini nach der Blamage. „Es ist schwer zu erklären, es ist so eine große Enttäuschung.“ Gerade 256 Tage ist es her, dass er nach dem Finale von Wembley den Pokal des Europameisters in die Höhe heben durfte. Die glänzenden Bilder des azurblauen Sommers sind längst verblichen. Die Winter-WM findet ohne Italien statt.
„Es tut so weh“
Es ist eine Entwicklung, die nicht zwangsläufig war, aber die sich doch abgezeichnet hat. Nach dem Triumph von London quälten sich die Italiener durch die Qualifikation und wurden hinter der Schweiz nur Zweiter. Die Anzeichen, dass der Schwung der EM längst verflogen war, mehrten sich. Dennoch gab Trainer Roberto Mancini weiter das Ziel WM-Titel aus. Daraus wird nichts. Zwar war sein Team gegen Nordmazedonien überlegen, vor dem Tor aber viel zu einfallslos. Und als sich Trajkovski, der vier Jahre in Palermo spielte, ein Herz fasste, abzog und traf, platzten alle italienischen Träume in einem Moment.
Dass Nordmazedonien keinen großen Namen, aber ein großes Kämpferherz hat, zeigte die Elf schon bei anderer Gelegenheit. Die Heimniederlage der deutschen Nationalmannschaft ist gerade ein Jahr her. Ob Mancini Italiens Trainer bleiben wird, ist unklar. „Wir werden sehen, die Enttäuschung ist zu groß, um über die Zukunft zu sprechen“, sagte er am späten Donnerstagabend auf eine entsprechende Frage. „Es ist schwer, an solche Dinge zu denken. Es wird nicht einfach in den nächsten Tagen. So wie die EM die schönste Erfahrung meines Lebens war, war dies die größte Enttäuschung. Wir können nichts sagen, das ist der Fußball. Manchmal passieren unglaubliche Dinge und es ist passiert.“
Mancini hat als Nationaltrainer einen Vertrag bis Mitte 2026. Verbandschef Gabriele Gravina sprach sich noch in der Nacht nach der Pleite für eine Fortsetzung der Zusammenarbeit mit dem früheren Nationalspieler aus: „Ich wünsche mir, dass Mancini bei uns bleibt. Wir haben uns für ein Projekt verpflichtet.“ Auch Kapitän Chiellini sagte: „Wir müssen uns jetzt aufrichten und ich hoffe, dass Mancini bleibt.“ Ob der 37 Jahre alte Abwehrroutinier selbst in der Nationalmannschaft weitermacht, das wollte er am Donnerstagabend aber nicht sagen.