Premier League: Rangnick wütet nach 0:4 mit Manchester United

Es läuft die letzte Viertelstunde der ersten Halbzeit, der FC Liverpool führt 2:0 gegen Manchester United, und die haushoch überlegenen „Reds“ lassen den Ball entspannt durch die eigenen Reihen laufen. Einfache Pässe zum nächstbesten Mitspieler, völlig unbedrängt, wie im Training, minutenlang. Die Spieler von United wirken resigniert, schauen zu oder traben lustlos hinterher. Keiner kann sich dazu aufraffen, das fast schon arrogante Liverpooler Ballgeschiebe durch einen Sprint oder ein Foul zu unterbrechen. Es sagt schon etwas aus, wenn sich Liverpool gegen den alten Rivalen Manchester United von Mitte der ersten Halbzeit an für schwierigere Gegner schonen kann. Das Spiel an der Anfield Road endet schließlich 4:0. United mit sechs Jahren Rückstand Es war die zweite Blamage für United gegen Liverpool in dieser Saison. Das Hinspiel im Oktober ging sogar 0:5 aus. Manchesters eklatante Unterlegenheit zeigte sich auch diesmal in sämtlichen Statistiken. Während Liverpool 14 Mal aufs Tor schoss, brachte United in 90 Minuten gerade einmal zwei Torschüsse zustande, was allerdings auch damit zu tun hatte, dass sie nur mickrige 28 Prozent Ballbesitz hatten. Liverpools Tor zum 2:0 durch Mohamed Salah gingen sage und schreibe 25 Pässe voraus. Falls noch irgendjemand daran gezweifelt haben sollte, wie weit die Kluft zwischen beiden Klubs in den vergangenen Jahren aufgerissen ist, der konnte sich in dieser Saison gleich zweimal davon überzeugen. United hatte keine Chance. Interimstrainer Ralf Rangnick zog nach dem Spiel ein schonungsloses Fazit. „Das ist peinlich,enttäuschend, vielleicht sogar demütigend“, sagte er im Fernsehinterview. „Wir müssen akzeptieren, dass sie sechs Jahre Vorsprung vor uns haben.“ Im Herbst 2015 trat Jürgen Klopp seinen Job beim FC Liverpool an; seitdem hat er den Klub vom schlafenden Riesen zu Englands dominanter Kraft zusammen mit Manchester City geformt. Rangnick will sich das zum Vorbild nehmen. „Für mich ist klar, dass sechs, sieben, acht, vielleicht auch zehn neue Spieler kommen werden“, sagte er. „Aber bevor man diese Spieler holt, muss man wissen, wie man spielen will.“ Es fällt schwer, das nicht als Kritik am aktuellen Kader und seinen Planern zu verstehen. Am Mittwoch beendete der Klub laut Medienberichten die Zusammenarbeit mit Chefscout Jim Lawlor und Marcel Bout, dem Leiter des globalen Scoutings. Es gilt zudem als wahrscheinlich, dass Erik ten Hag, Trainer von Ajax Amsterdam, zur neuen Saison zu Manchester United wechseln wird. Rangnick soll dann in einer beratenden Funktion beim Neuaufbau des Klubs mithelfen. Mit dem Fehlen von Herz, Kampf, Leidenschaft und Willen hätten die Spieler das Trikot von United beschämt, schrieb die BBC in einer Analyse. „Das ist etwas, worum sich ten Hag kümmern muss. Viel Glück, Erik.“ Superstar Cristiano Ronaldo fehlte unterdessen am Dienstagabend. Am Montag hatten der Torjäger von Manchester und seine Partnerin Georgina Rodriguez den Tod ihres neugeborenen Sohnes nach einer Zwillingsgeburt bekanntgegeben. Die Fans von Manchester und Liverpool hatten für die siebte Spielminute (Ronaldo trägt die Nummer sieben) eine Minute Applaus verabredet, auch gemeinsame „You’ll never walk alone“-Gesänge waren zu hören. Für Klopp war diese Aktion der „Moment des Spiels“, weil „so viele Dinge im Leben wichtiger sind als Fußball“.