Bayern-Frauen vor Paris :
„Es ist eine Katastrophe"

Von Johannes Müller
Lesezeit: 3 Min.
Giulia Gwinn und der FC Bayern sind im Rückspiel in Paris gefordert.
Die Frauen des FC Bayern müssen im Viertelfinal-Rückspiel der Champions League in Paris eine Niederlage aufholen. Was die Aufgabe zusätzlich erschwert: Die Bayern müssen auf zwölf Spielerinnen verzichten.

Jens Scheuer, Trainer der Frauenfußballmannschaft des FC Bayern, hatte eine Liste seiner Spielerinnen mitgebracht, in die Pressekonferenz am Tag vor dem Rückspiel im Viertelfinale der Champions League bei Paris Saint-Germain am Mittwochabend (21.00 Uhr bei DAZN). Die brauche er, „sonst vergesse ich vielleicht die eine oder andere“. Gemeint waren diejenigen, die ausfallen werden. Doch verhinderte die Gedankenstütze nicht, dass Scheuer tatsächlich eine Spielerin vergaß. Wobei Nachsicht angebracht ist, auch die zugeschalteten Journalisten hatten den Überblick in den vergangenen Tagen verloren.

Zwölf Spielerinnen fallen für das Spiel aus, die Bayern lassen also praktisch eine komplette Mannschaft zu Hause. Sieben davon haben sich mit Corona infiziert, darunter die wichtigen Akteurinnen Linda Dallmann, Sarah Zadrazil, Maximiliane Rall und Jovana Damnjanovic. Auch Viviane Asseyi wird in Paris wegen einer Gelbsperre fehlen. Drei langzeitverletzte Spielerinnen sind zudem noch außen vor. Und das Ersatztorhüterin Maria Luisa Grohs, die noch mit den Folgen ihrer Corona-Erkrankung zu tun hat, ebenfalls ausfällt, ging in der Pressekonferenz einfach unter.

„UEFA sagt, wir müssen antreten"

Nach Paris reiste ein stark geschrumpfter Kader. Es werden nur zwei Feldspielerinnen auf der Bayern-Bank sitzen, sehr wahrscheinlich Nachrückerinnen aus der zweiten Mannschaft. Dass die Bayern sich um eine Verlegung des Spiels bemühten, ist verständlich. Das sei für den europäischen Fußballverband aber keine Option gewesen. „Die UEFA sagt, wir müssen antreten", sagte Scheuer und unterbrach sich dabei auszuführen, was das seiner Meinung nach mit dem Fair-Play-Gedanken mache. Dem erst im Februar modifizierten Reglement der Champions League ist zu entnehmen, dass am geplanten Termin gespielt werden muss, wenn mindestens 13 Spielerinnen darunter wenigstens eine Torhüterin verfügbar sind. Das kommt gerade so hin, ein weiterer positiver Test am Spieltag blieb aus.

„Es ist eine Katastrophe, dass das Virus uns gerade in den entscheidenden Wochen so heimsucht", sagte Scheuer. Am Sonntag steht für seine Mannschaft das Bundesliga-Spitzenspiel bei Tabellenführer VfL Wolfsburg an (14.00 Uhr bei MagentaSport). An Wolfsburg will Scheuer aber noch keinen Gedanken verschwenden, schließlich geht es in Paris darum, dass der Traum vom Gewinn der Champions League am Leben bleibt. Es ist der Pokal, der in der Vitrine der Münchenerinnen noch fehlt, wer ihn gewinnen will muss die Besten schlagen.

Weiterkommen wäre eine Sensation

Im Prinzenpark wartet daher eine Mannschaft der Premiumklasse; PSG gilt neben dem FC Barcelona als Favorit auf den Champions-League-Titel. Und die Bayern müssen ja noch eine 1:2-Niederlage aus dem Hinspiel ausgleichen. Unter normalen Umständen wäre die Dienstreise also bereits anspruchsvoll genug gewesen. So rasch aber wie den Bayern jetzt das Personal ausgeht, wäre ein Weiterkommen eine Sensation.

Die Bayern werden PSG vor allem daran hindern müssen, ruckzuck von Abwehr auf Angriff umzuschalten. In dieser Disziplin sind die Pariserinnen einsame Klasse, wie Scheuer bereits vor dem Hinspiel sagte. Das gab denn auch Aufschluss darüber, welche Spielerin man keine Sekunde aus den Augen verlieren darf: Marie-Antoinette Katoto. Sobald eine Pariserin den Ball gewann, ging der Blick und ziemlich sicher auch der nächste Pass zu ihr. Die 23 Jahre alte Ausnahmestürmerin hat bereits mehr Tore geschossen als je eine PSG-Spielerin vor ihr.

In München kamen zwei weitere hinzu, jeweils nach einem Eckball, was Scheuer umso mehr schmerzen musste, da die Verteidigung von Standards doch vor allem Konzentration erfordert. „Wir müssen reifer sein, disziplinierter sein“, sagte er am Dienstag und fügte an: „Ich freue mich schon auf die Standards von Paris, weil wir die besser verteidigen werden."

Aus dem Hinspiel können die Bayern aber auch Positives mitnehmen. „Wir hatten sehr viele Offensivaktionen, die wir im Rückspiel effektiver zu Ende bringen müssen“, sagte Nationalspielerin Giulia Gwinn. Ineffektiv und unglücklich war in der zweiten Halbzeit vor allem Sydney Lohmann, die zweimal nicht ins Netz, sondern den Pfosten traf. Schwachstelle der Pariser Abwehr könnte deren linke Seite sein, auf der die unermüdliche Bayernstürmerin Klara Bühl ihre Gegenspielerinnen durcheinanderwirbelte.

„Für die Mädels die zu Hause sitzen“

Dass die Pariserinnen im eigenen Stadion ähnlich defensiv auftreten werden, wie vorige Woche in der Allianz Arena, ist allerdings unwahrscheinlich. Allein schon deshalb, weil sie nach Angaben des Vereins vor mehr als 25.000 zumeist eigenen Fans spielen werden, darunter wohl zahlreiche PSG-Ultras, die für ihre aufputschende Wirkung bekannt sind.

Andererseits wird die missliche Ausgangslage für die Bayern vielleicht noch zum Kraftquell. Giulia Gwinn deutete das an, als sie sagte, dass die Mannschaft nicht nur für sich spielen werde, sondern „auch für die Mädels die zu Hause sitzen.“ Das könne „noch einmal andere Energien freisetzen“, sagte Gwinn und ergänzte: „Wir wollen es unbedingt ins Halbfinale schaffen.“