Zuschauer-Rekord bei Frauen :
Die Kraft des Events

Ein Kommentar von Johannes Müller
Lesezeit: 2 Min.
Ungewohntes Bild: Jubelnde Massen auf den Tribünen beim Champions-League-Spiel der Frauen in Barcelona
So viele Fußballfans wie noch nie schauen sich die Champions-League-Viertelfinals der Frauen im Stadion an. Eine Zeitenwende? Die Eventisierung der Spiele hat mindestens gezeigt, was möglich ist.

In der Champions League der Frauen purzeln die Rekorde. 91.553 Menschen bestaunten am Mittwoch einen furiosen FC Barçelona bei seinem 5:2-Sieg gegen Real Madrid – Weltrekord. Und 27.262 Fans pilgerten zum Pariser Prinzenpark, wo PSG einen entkräfteten FC Bayern in der Verlängerung aus dem Wettbewerb warf – Vereinsrekord. Zum Hinspiel in der Woche zuvor waren mehr als 13.000 Fans in die Münchner Arena gekommen – auch für die Bayern eine Rekordkulisse.

Was bedeutet es, dass die Spiele europäischer Frauenfußball-Teams nie mehr Zuschauer hatten als jetzt in den Viertelfinals der Königinnenklasse? Steht eine Zeitenwende bevor? Weltfußballerin Alexia Putellas vom FC Barçelona schien diese beschwören zu wollen, als sie vor dem Spiel im Camp Nou davon sprach, dass es ein Vorher und Nachher geben könne. Worte, die zu einer Vision anregen: Fußball von Frauen gespielt, der endlich für sich steht und nicht mehr als Männerfußball in der Light-Kategorie betrachtet wird.

Nicht vergleichbar mit dem Ligaalltag

Eine schöne Vorstellung, die greifbarer denn je scheint, offenbaren die Rekordkulissen doch eine gestiegene Begeisterungsfähigkeit des Publikums für den „Frauenfußball“. Diese Spitzenspiele sind nicht vergleichbar mit dem Ligaalltag in Spanien, Frankreich oder Deutschland, wo viele Partien weniger Beachtung finden. Gerade deshalb ist das Champions-League-Spektakel ein Triumph im Ringen um Aufmerksamkeit.

Putellas hat recht, wenn sie von einem Einschnitt spricht. Denn dass große Arenen gut gefüllt werden, kann nicht Ausdruck einer organischen Entwicklung sein. Es ist stattdessen Ergebnis einer klugen und konsequenten Strategie: der Eventisierung der Champions League. Viele Zuschauer kamen, weil sie dabei sein wollten, wenn etwas Eindrucksvolles geschieht.

Volle Unterstützung: Die Zuschauer in Barcelona bekamen hochklassigen Fußball zu sehen.
Volle Unterstützung: Die Zuschauer in Barcelona bekamen hochklassigen Fußball zu sehen.AFP

Diese Strategie funktioniert besser, wenn alle mitmachen. Außer Real Madrid ließ jeder Verein sein Viertelfinalheimspiel in der großen Arena austragen, nicht in den viel kleineren Stadien, die von den Frauen alltäglich genutzt werden. So fiel auch auf das Auswärtsspiel des FC Bayern in Paris noch etwas mehr Glanz ab, als das Camp Nou sich füllte. Und ja, die Ticketpreise in Barcelona verlockten, sie lagen zwischen neun und 15 Euro. Die Karten waren aber auch schon verkauft, bevor eine besondere Social Media-Kampagne auch nur hätte anlaufen können. Es gab ja auch nicht irgendein Spiel zu sehen, sondern El Clásico, bedeutungsschwanger seit Jahrzehnten durch eine gut kultivierte Rivalität unter den Männern.

In Deutschland sucht man nach einem vergleichbaren Event leider vergebens. Borussia Dortmund, der zweite „Leuchtturm“ im deutschen Fußball nach Bayern München, so hat es BVB-Geschäftsführer Joachim Watzke gesagt, hat erst seit dieser Saison ein Frauenfußball-Team. Es spielt derzeit in der Kreisliga, wird frühestens in fünf Jahren in die höchste Spielklasse aufsteigen. Bayern gegen BVB, das wäre ein Spiel, das elektrisierte wie Barça gegen Real oder die Derbys in Manchester oder Liverpool. Auch deswegen hinkt die Bundesliga hinterher.

Die Champions-League-Events haben gezeigt, was an der Spitze möglich ist. Viele Menschen wollen ein großes Spektakel sehen. Und bleiben womöglich hängen. Wer jedenfalls aus Neugier die Spiele in Paris und Barcelona schaute, bekam hochklassigen Fußball geboten. In Arenen, die bislang Männern vorbehalten waren.