Spektakel in Champions League : „Es ist schwer, dafür Worte zu finden“
Als die Zuschauer das Stadion in Manchester am Dienstagabend verließen, leuchtete ein „THANK YOU“ auf den Anzeigetafeln. Die Gastgeber wollten sich für den Besuch bedanken. Dabei hätten wahrscheinlich alle Gäste selbst ein großes Dankeschön loswerden wollen. Denn dass sie Teil dieser ganz besonderen Fußball-Party sein durften, war ein Geschenk. Manchester City besiegte Real Madrid im Hinspiel des Halbfinals der Champions League mit 4:3 Toren – und beide Mannschaften boten dabei ein Spektakel, das alle, die zusehen durften, nicht so schnell vergessen dürften.
„Wir haben ein fantastisches Spiel gegen einen unglaublichen Gegner gespielt“, sagte Manchesters Trainer Pep Guardiola. So weit, so gut. Doch ein Perfektionist wie der Katalane, der am liebsten alles bis ins kleinste Detail plant und vorgibt, konnte nur oberflächlich zufrieden sein: „Wir haben viel gut gemacht, aber leider auch die Tore kassiert. Wir hätten auch mehr treffen können.“ Ähnlich sah es sein Spieler Phil Foden: „An einem anderen Tag hätten wir meiner Meinung nach ein besseres Ergebnis erzielen können.“
Die Engländer hatten sich zweierlei vorzuwerfen: vorne trafen sie zu selten, hinten kassierten sie zu viele Tore. Das ist im Fußball zumeist das Problem, wenn eine Mannschaft nicht das gewünschte Resultat erreicht. In dieser bemerkenswerten Partie zweier Schwergewichte war das Problem aber besonders auffällig. City ging durch Kevin De Bruyne (2. Minute) und Gabriel Jesus (11.) früh in Führung. Es gibt weitere hochkarätige Chancen. Riyad Mahrez haute den Ball mit seinem schwächeren rechten Fuß ans Außennetz statt den mitgelaufenen Foden anzuspielen (26.). Guardiola war außer sich vor Ärger.
Atemraubender Takt in Manchester
Und plötzlich stand es statt 3:0 nur noch 2:1. Real, das die ersten Minuten des Spiels wie in einer Art Schockstarre verbracht hatte, wurde reanimiert – fast selbstredend durch ihren Besten. Karim Benzema platzierte eine halbhohe Flanke von links mit einer eleganten Abnahme am Innenpfosten (33.). In diesem atemraubenden Takt ging es nach der Pause weiter. Mahrez hat die große Chance auf ein weiteres Tor für City. Doch sein Alleingang endete am Pfosten, beim Nachschuss aus kurzer Distanz traf Foden nicht ins Tor, sondern das Bein des verbliebenen Verteidigers Dani Carvajal (48.).
Dann war Foden doch noch erfolgreich. Eine Flanke des eingewechselten Altmeisters Fernandinho, der eigentlich defensiver Mittelfeldspieler ist, nun allerdings wegen der Sperre von João Cancelo und der verletzungsbedingten Auswechslung von Vertreter John Stones Rechtsverteidiger spielte, köpfte Foden ins Tor (53.). Nur zwei Minuten später entwischte der junge Vinícius Júnior den Oldie Fernandinho an der Mittellinie und schob wiederum für Real ein (55.). Bernardo Silva mit einem Hammer ins kurze Eck war dann für Manchester an der Reihe (74.), ehe Benzema einen Handelfmeter verwandelte (82.).
Wobei „verwandelte“ der großen Kunst, die der Franzose bei der Ausführung zeigte, nicht im Ansatz gerecht wird. Statt den Ball möglichst hart, möglichst platziert und möglichst sicher ins Tor zu schießen, entschied sich Benzema für eine Variante, die diesem spektakulären Abend gerecht wurde. Er lupfte den Ball weich in einem Bogen in die Tormitte und ließ Torwart Ederson wie einen Anfänger aussehen, der meinte, mit einem beherzten Sprung in eine der Ecken eine Abwehrchance zu haben. Hatte er nicht. „Der Schuss hat mich überrascht“, sagte selbst Benzemas routinierten Trainer Carlo Ancelotti.
Das ist zum einen nachvollziehbar, zum anderen aber auch nicht. Denn es gibt zwei Vorgeschichten. Am Wochenende im Ligaspiel in Osasuna hatte Benzema gleich zwei Strafstöße vergeben. Es hätte also sein können, dass der Stürmer nun lieber eine Variante wählt, bei der er sich nichts vorzuwerfen hat, wenn es schiefgeht. Andererseits ist er in grandioser Form. „Was Benzema diese Saison spielt, das ist schwer, dafür Worte zu finden! Wir sind sehr, sehr froh, dass er bei uns ist“, sagte David Alaba bei Prime Video. Der frühere Bayern-Profi war mit muskulären Problemen in die Partie gegangen und wurde zur Pause ausgewechselt. „Es ging schon mal besser. Mal schauen, was die Tage rauskommt bei den Untersuchungen.“
Für Benzema war es nach eigener Aussage gar keine große Sache, den wichtigen Strafstoß in einem wichtigen Spiel nach Vorbild Antonin Panenkas zu schießen, der im Finale der Europameisterschaft 1976 nach dem Mondball von Uli Hoeneß seinen Versuch am springenden Sepp Maier vorbei in die Tormitte löffelte. So machten es seither unzählige Fußballspieler nach, nun eben auch Benzema. Der gab sich auch danach cool. „Ich habe immer im Kopf, dass du nie einen Elfmeter verschießt, wenn du nie antrittst. Das ist alles mental. Ich habe viel Selbstvertrauen – und es läuft gut“, sagte Benzema lächelnd.
Der ist Reals größtes Pfund im Duell mit den Engländern, das im Rückspiel am kommenden Mittwoch (21.00 Uhr im F.A.Z.-Liveticker zur Champions League und bei DAZN) entschieden wird. Neun Treffer hat er alleine in diesem Jahr in der Königsklasse erzielt: drei im Achtelfinal-Rückspiel gegen Paris, drei im Viertelfinal-Hinspiel bei Chelsea, eines im zweiten Duell und nun zwei in Manchester im 600. Spiel für Real Madrid. Dass er auch in der Gruppenphase fünf Tore schoss, klingt nur noch wie eine selbstverständliche Randnotiz. Cristiano Ronaldos Saisonrekord von 2014 mit 17 Treffern ist nahe.
Alle, die schon von einem englischen Traumfinale zwischen den Giganten Manchester City und dem FC Liverpool, der an diesem Dienstag (21.00 Uhr im F.A.Z.-Liveticker zur Champions League und bei DAZN) den FC Villarreal im Hinspiel empfängt, geträumt haben, ärgerte Benzema. Und selbstredend hat er nicht die Absicht, den Briten das Feld kampflos zu überlassen. „Das Wichtigste ist, dass wir nie aufgegeben haben und bis zum Ende dabei sind. Jetzt gehen wir ins Bernabéu wo wir unsere Fans mehr denn je brauchen und wir werden etwas Magisches schaffen – siegen“, sagte Benzema. Er wird bereit sein. Und auch wieder zum Elfmeter antreten, falls nötig.