Mainz 05 in der Bundesliga : Ein Klub, zwei Gesichter
- -Aktualisiert am
Heimstark: Karim Onisiwo bittet die Teamkollegen zum Jubel. Bild: dpa
Wofür steht Mainz 05 eigentlich? Für offensiven Fußball. Damit will der Klub Fans zurückgewinnen. Und die Verantwortlichen wollen etwas nachahmen, was Eintracht Frankfurt vorgemacht hat.
Stefan Hofmann ist immer noch 58 Jahre alt, auch wenn er sich am vorigen Samstag eine bisschen älter gefühlt hat. Ja, sagt der Vorsitzende des FSV Mainz 05, ein Spiel wie das in Köln, das die Mannschaft nach einer Zweitoreführung innerhalb der letzten halben Stunde noch verlor, nerve ihn als Zuschauer.
Doch Hofmann kann solche Ereignisse differenziert betrachten, weil er einen anderen Blick auf die Entwicklung wirft als der normale Fan. Und was er sieht, sind ein Trainer mit hohen Ansprüchen und ein Kader, der diesen Ansprüchen zumindest im eigenen Stadion so sehr gerecht wird, dass Abstiegskampf in dieser Saison kein Thema ist. Alles in allem sei das ein „sehr stabiles Fundament“.
Auf dieser Basis sind die Rheinhessen, die an diesem Samstag (15.30 Uhr im F.A.Z.-Liveticker zur Bundesliga und bei Sky) Stuttgart empfangen, in der laufenden Spielzeit nie hinter das gesicherte Mittelfeld zurückgefallen. Damit können die Verantwortlichen allem Anschein nach gut leben; Sorge, dass daraus ein graues Mittelfeld werden könnte, verspüren sie offenbar nicht.
Fragt man Hofmann, wofür der Verein in der Bundesliga steht, antwortet er: „Für eine bestimmte Art von Fußball, und ich bin extrem froh darüber, dass wir das von uns behaupten können. Wenn Zuschauer in unser Stadion kommen, dann wissen sie relativ klar, welchen Fußball dieses Team und der Trainer spielen wollen. Sie werden Mainz-05-Fußball sehen. Das ist der Kern, den wir mit Bo Svensson an der Spitze Gott sei Dank wieder herausgearbeitet haben.“
Seit Svenssons Amtsantritt im Januar vorigen Jahres ist dieser Fußball selbst in der Verteidigungsarbeit sehr offensiv ausgerichtet, setzt auf aggressive Zweikampfführung weit weg vom eigenen Tor, auf Tempo im Umschaltspiel. Weiterentwickelt hat der Däne inzwischen auch das Spiel mit Ball, eine Disziplin, in der die Mainzer vorher nicht zurechtkamen.
Wer die Heimspiele der 05er beobachtet, fragt sich, warum diese Mannschaft zuletzt die Tuchfühlung zu den internationalen Plätzen verloren hat. Wer die Auswärtsspiele sieht, kennt die Antwort. Auch der Trainer verhehlt seine Enttäuschung über die dürftige Auswärtsbilanz von acht Punkten und oftmals schwachen Leistungen nicht. Freilich betont er dabei stets, es gehe ihm um die Leistung seiner Profis, darum, dass sie ihr Potential abrufen, den 05-Fußball auf den Rasen bringen.
Wenn Svensson nicht anders denkt, als er öffentlich spricht, bewertet er die Darbietungen weitestgehend ergebnisunabhängig. Über Europa redet er nicht, höchstens wenn er danach gefragt wird, und dann sagt er, dass er nicht darüber redet. Sportvorstand Christian Heidel thematisiert das internationale Geschäft ebenso wenig.
Stefan Hofmann sieht ebenfalls keinen Sinn darin. Der Vorsitzende glaubt nicht, dass der Ansatz, sicher in der Liga bleiben zu wollen, ab einem bestimmten Punkt zu bescheiden ist und den einen oder anderen Spieler genügsam werden lässt. „Bo arbeitet tagtäglich mit der Mannschaft, will immer das Maximum herausholen. Wenn er dächte, es sei hilfreich, ein tabellarisches Ziel vorzugeben, um in einem bestimmten Spiel diese ein oder zwei Prozent herauszuholen, die über Sieg und Niederlage entscheiden, würde er es tun.“
In Mainz müsse man immer darauf achten, möglichst sorgenfrei zu bleiben. So, wie es im Übrigen auch die Freiburger hielten. „Die sind mittlerweile so stabil, dass sie es schaffen können, und trotzdem wird Christian Streich nicht sagen, dass Europa das Ziel ist.“
Gezielt auf junge Leute zugehen
Vom 1. Mai an wird Hofmann das Amt des Vorstandsvorsitzenden hauptberuflich ausüben; sein Arbeitgeber, das rheinland-pfälzische Bildungsministerium, hat ihn bis Herbst 2024 beurlaubt. Damit könne er sich fortan wesentlich intensiver um die Dinge kümmern, die er bislang mit einem limitierten Zeitbudget erledigen musste.
Ein zentrales Thema: neue Fans gewinnen und alte zurückgewinnen, die dem Verein nicht erst durch die Corona-Krise und den über eine lange Strecke unattraktiven Fußball verloren gegangen sind. „Das wird unsere große Zukunftsaufgabe sein“, sagt er.
Anders als die Frankfurter Eintracht verfügten die Mainzer weder über ein so großes Einzugsgebiet noch über eine seit mehreren Generationen gewachsene Anhängerschaft. „Wir haben nicht die Familien, in denen schon der Großvater und der Vater 05-Fans waren und es für das Kind keine andere Entscheidung gibt.“ Deshalb müsse der Verein über Klub- und Schulpartnerschaften um neue Anhänger werben, auf junge Leute zugehen, nahbar und authentisch sein.
Und den im Laufe der Jahre von der Stange gegangenen Anhängern müsse man die Argumente gegen einen Stadionbesuch so weit wie möglich nehmen. „Wir müssen ihnen klarmachen, dass es interessant ist, zu unseren Spielen zu kommen. Dafür bietet unsere Mannschaft mit der Art, wie sie gerade Fußball spielt, eine hervorragende Grundlage.“
Die Frankfurter seien in dieser Hinsicht ein gutes Beispiel. „Vor elf, zwölf Jahren waren wir sportlich vor der Eintracht, aber die hatten 2016 ihr Relegationserlebnis, sind 2017 zum Pokalfinale nach Berlin gefahren und haben den Pokal 2018 gewonnen“, sagt Hofmann. Diese emotionalen Erlebnisse habe der Verein mit guten Marketing- und Kommunikationsstrategien verstärkt und dadurch einen riesigen Fanzulauf erlebt. „Wir waren in dieser Zeit einfach nur in der Bundesliga und hatten zwischendrin seit 2016 mit uns selbst viele Probleme. Jetzt sind wir wieder stabil, auch sportlich, und können uns verstärkt um diese Themen kümmern.“ Wenn möglich, ohne Relegation.