Weitere Krise in Berlin : Windhorsts Segen wird zum Fluch für Hertha
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Lars Windhorst (rechts) kritisiert Hertha-Präsident Werner Gegenbauer mit deutlichen Worten. Bild: dpa
Lars Windhorst nimmt keine Rücksicht auf die Befindlichkeiten des Tagesgeschäfts. Damit schadet der Investor seinem Klub. Mit dem aktuellen Präsidium möchte er nicht mehr zusammenarbeiten.
Das 3:0 von Hertha BSC gegen die TSG Hoffenheim hätte allemal das Potenzial gehabt, etwas Ruhe beim Berliner Bundesligaklub einkehren zu lassen. Der erste Sieg seit Dezember, drei wichtige Punkte im Kampf gegen den Abstieg und ein gelungenes Debüt des neuen Trainers Felix Magath, der zwar wegen einer Corona-Infektion nicht an der Seitenlinie stehen konnte, aber dafür mit seinem Ko-Trainer Mark Fotheringham in Verbindung stand.
Nur wäre Hertha nicht Hertha, hätte es nicht auch an diesem so erfreulichen Wochenende etwas gegeben, was ordentlich auf den Magen schlug. Den Schuss Essig schüttete ausgerechnet Investor Lars Windhorst in die Berliner Currysoße. Bei „Bild TV“ forderte er unverblümt zur Abwahl von Klub-Präsident Werner Gegenbauer auf. Diesem gehe es nur um „den eigenen Machterhalt“ so Windhorst. Solange Gegenbauer im Amt ist, werde es von ihm keine finanzielle Unterstützung mehr geben.
Die Ankündigung kommt nicht nur zur Unzeit aus Hertha-Sicht, sie trifft den Klub an einem wunden Punkt. Die von Windhorst beigesteuerten 374 Millionen Euro sind aufgebraucht, erst kürzlich bestätigte Finanzchef Ingo Schiller, dass Hertha beim Bund Coronahilfe beantragt und eine Summe von sieben Millionen Euro erhalten habe. Das Verhältnis zwischen Investor und Verein ist schon länger belastet, spätestens als Windhorst sein Investment öffentlich als Fehler bezeichnete, trat der Bruch offen zu Tage. Der vermeintliche Segen durch Windhorsts Millionen wird für Hertha immer mehr zum Fluch. Mehr als einmal hat er gezeigt, dass er auf die Befindlichkeiten des Tagesgeschäfts keine Rücksicht nimmt. Die Unruhe, die er verbreitet, belastet den Klub.
Einsatz, Wille und Laufbereitschaft
Das 3:0 gegen Hoffenheim rückte in den Hintergrund, obwohl es einige interessante Erkenntnisse brachte. Zum Beispiel, dass in dieser Mannschaft anscheinend doch sehr viel mehr Leben steckt, als ihr nachgesagt wurde. Am erstaunlichsten aber war, was Mark Fotheringham zu sagen hatte, nachdem er zur Formation gefragt wurde, mit der Hertha gewonnen hatte. „Ich konzentriere mich nicht so auf Taktik, dass ist völlig Wurst. Taktik interessiert mich nicht.“ Man müsste um den 38 Jahre alten Schotten bangen, wenn dem wirklich so wäre, als Ko-Trainer gehört das Ausarbeiten taktischer Pläne zu seinen Kernkompetenzen.
Allein das Spiel zeigte, dass die Sorgen unbegründet sind, Fotheringham wollte lediglich überspitzt darstellen, was ihm wirklich wichtig ist in diesen für Hertha so entscheiden Wochen: Im Abstiegskampf zählen primär andere Dinge als die taktische Grundordnung: Einsatz, Willen, Laufbereitschaft. In allen genannten Kategorien stachen die Berliner hervor an diesem sonnigen Sonnabend, der vielen Hertha-Fans das Gemüt wärmte. Aus der Kurve erklang der alte Klassiker „Oh wie ist das schön“, und das war anders als in den Vorwochen ohne jede Häme gemeint.
Allerdings wussten die Fans da noch nicht, dass sie sich bald entscheiden müssen. Für neue Investitionen durch Windhorst und einen neuen Präsidenten oder für Gegenbauer, der den Klub seit 2008 führt. Bei der letzten Wahl hatte Gegenbauer allerdings nur noch etwas mehr als die Hälfte aller möglichen Stimmen erhalten. Zu Windhorsts Forderung will er sich zu einem späteren Zeitpunkt äußern.
Es bleibt kompliziert in Berlin. Die Länderspielpause kommt deshalb gelegen. Beim kommenden Auswärtsspiel in Leverkusen dürfte Trainer Magath zum ersten Mal auch persönlich wieder dabei sein können. Gegen Hoffenheim musste Fotheringham ihn vertreten, die beiden Männer befanden sich während des Spiels aber in ständigem Austausch. „Der Boss war immer dabei. Wir hatten immer Kontakt. Es ist richtig stark, was wir jetzt mit moderner Technik machen können“, sagte Fotheringham.
Der Plan, den er und der „Boss“ ausgearbeitet hatten, ging voll auf. Das war ja eine der dringlichsten Fragen dieses Trainerwechsels von Tayfun Korkut zu Felix Magath gewesen. Wie würde Magath, der sein letztes Spiel in der Bundesliga vor zehn Jahren gecoacht hatte, Hertha wieder neues Leben einhauchen? Was Wille, Einstellung und Kraft anging, waren die Berliner tatsächlich nicht wiederzuerkennen. Vor allem aber besannen sich Magath und Fotheringham auf Spieler, die einst zu den Grundpfeilern dieser Mannschaft gezählt hatten, bei Korkut am Ende aber nicht mehr wohlgelitten waren. Ins Tor kehrte Alexander Schwolow zurück, die Abwehr wurde von Dedryck Boyata organisiert, auf der linken Seite verteidigte Marvin Plattenhardt und im defensiven Mittelfeld räumte Niklas Stark auf.
Besonders Plattenhardt bestach. Sein linker Fuß ist außergewöhnlich, seine Flanken und Freistöße suchen an guten Tagen ihresgleichen. Am Samstag war so ein Tag. Plattenhardt bereitete alle drei Tore seiner Mannschaft vor. Immer waren es Freistöße. Nach Starks Führung traf Ishak Belfodil zum 2:0, dass dritte Tor ging auf das Konto von Lucas Toussart. Hertha jubelte, Hertha feierte, dann kam der Sonntag. Wie viele Nebengeräusche Mannschaft und Klub verkraften können wird nun eine der entscheidenden Fragen der kommenden Wochen werden.